Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Manchmal wird man auf der Straße angesprochen“
Ecem Cumert aus Munderkingen spielt seit einem halben Jahr in der ersten türkischen Liga
MUNDERKINGEN - Nach vier Jahren beim SC Freiburg ist die Fußballerin Ecem Cumert aus Munderkingen im vergangenen Sommer zum türkischen Erstligisten Atasehir Belediyespor gewechselt. Dort eilt sie von Erfolg zu Erfolg. Noch immer steht die gerade 20 Jahre alt gewordene Cumert mit ihrem Verein ungeschlagen an der Spitze der ersten Liga in der Türkei. Vor Beginn der Rückrunde verbrachte sie ein paar Tage in ihrer Heimat in Munderkingen. Andreas Wagner sprach mit der Mittelfeldspielerin über ihre Erfahrungen in der Türkei, die Unterschiede zum Fußball in Deutschland und ihre Pläne für die Zukunft.
Ein halbes Jahr spielen Sie nun in der höchsten türkischen Liga. War der Wechsel der richtige Schritt?
Es war das, was ich wollte. Mal etwas anderes auszuprobieren, in einem anderen Land zu spielen. Sportlich und menschlich war es für mich der richtige Schritt.
Wobei die Türkei in Ihrem Fall naheliegt. Sie sind in Ehingen geboren und in Munderkingen aufgewachsen, aber Ihre Eltern stammen aus der Türkei. Sie haben Verwandte dort, sprechen Türkisch. Da fällt die Integration sicher leicht.
Die Türkei ist mir nicht unbekannt. Ich liebe das Land, mir gefällt es dort sehr gut. Schwierigkeiten, mich dort zu integrieren, hatte ich nicht.
Anders als Galatasaray, Besiktas oder Fenerbahce ist Ihr ebenfalls in Istanbul ansässiger Verein Atasehir Belediyespor in Deutschland kaum bekannt. Welchen Stellenwert hat der noch recht junge Verein in der Türkei?
Wir sind gerade in der Liga die beste Mannschaft, spielen um die Meisterschaft, sind Tabellenerster und haben viele türkische Nationalspielerinnen in unseren Reihen. Kürzlich haben wir in der Liga Besiktas mit 4:0 geschlagen.
Da dürfte der Gewinn der Meisterschaft ja nicht unrealistisch sein.
Klar, ich bin hier, um Meister zu werden.
Wie groß war die Umstellung vom Fußball in Deutschland auf den in der Türkei?
Der Unterschied ist riesig. In der Türkei ist es mit der Disziplin nicht so wie in Deutschland. Das ist einer der Faktoren, der mir persönlich fehlt. Aber es wird versucht, alles professioneller zu gestalten.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Frauenfußballs in der Türkei?
Wir stehen noch am Anfang der Entwicklung, der Frauenfußball ist auch nicht so angesehen wie der Männerfußball.
Welchen Stellenwert hat der Frauenfußball gegenüber dem Männerfußball in der Türkei?
Es ist kein Vergleich zum Männerfußball, ganz klar. Aber unser Verein hat keine Männermannschaft, bei Atasehir Belediyespor liegt der Schwerpunkt bei uns. Wenn wir etwas wollen, kriegen wir es auch. Das ist der Vorteil gegenüber Vereinen wie etwa Besiktas.
Werden Sie von Fußballfans in Istanbul auf der Straße erkannt und angesprochen?
Die Sache ist die, dass bei Atasehir wirklich alle Nationalspielerinnen sind, deshalb kennt man uns alle. Und manchmal wird man auf der Straße schon angesprochen. Unser Verein macht auch viel Werbung für die Mannschaft.
Sie haben für die türkische U19 gespielt, sind A-Nationalspielerin der Türkei. Hatten Sie die Karriere im Nationalteam im Hinterkopf, als Sie sich zum Wechsel in die türkische Liga entschlossen?
Ich gehöre schon seit zwei Jahren zum Kader des A-Nationalteams der Türkei, daher war das kein großer Faktor.
Bisher hat sich die Türkei noch nie für ein großes Turnier wie Europaoder Weltmeisterschaft qualifiziert. Ist das für Sie ein Ziel?
Ja, ganz klar. Dieses Jahr haben wir es nicht geschafft, aber wir haben einen sehr jungen Kader mit vielen Spielerinnen, die aus Deutschland oder Frankreich stammen. Wir müssen uns gut vorbereiten, dann schaffen wir es vielleicht einmal zu einer WM oder EM. Ich will mit der Nationalmannschaft schon was erreichen.
Bei Erstligaspielen der Frauen in Deutschland hält sich der Zuschauerzuspruch oft in Grenzen. Wie ist die Atmosphäre bei Spielen der türkischen Frauenliga?
Viel besser als in Deutschland. Als wir kürzlich gegen Besiktas gespielt haben, waren richtig viele Zuschauer da, Leuchtraketen wurden abgeschossen. Aber auch bei unseren anderen Spielen ist immer viel los, die Stimmung ist gut.
Derzeit verdienen Sie mit Fußball Ihren Lebensunterhalt, doch anders als bei den Männern reicht der Verdienst darüber hinaus nicht. Was planen Sie für die Zeit nach Ihrer Karriere als Fußballprofi – vielleicht ein Studium, eine Berufsausbildung?
Ich will in Deutschland zur Polizei. Das interessiert mich.