Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Andris Nelsons tritt sein Amt in Leipzig an

Das Gewandhaus­orchester hat ab heute einen neuen Kapellmeis­ter

- Von Jörg Schurig

LEIPZIG (dpa) - Als Kind wollte Andris Nelsons Fußballer werden. Doch dann zog es ihn immer mehr zur Musik. Heute wird er nun in das Amt des 21. Gewandhaus­kapellmeis­ters in Leipzig eingeführt.

Die Zeit ohne Chef ist vorbei. In Leipzig endet nicht nur eine gut dreijährig­e Übergangsp­hase für das 275 Jahre alte Gewandhaus­orchester. Künftig schaut auch die Musikwelt ein bisschen neidisch dorthin. Denn mit dem Letten Andris Nelsons haben die Sachsen fortan einen Dirigenten am Pult, der bei den führenden Orchestern und Fans gleicherma­ßen beliebt ist. Die Erwartunge­n in Leipzig sind hoch, doch Nelsons verspürt statt Druck eher Inspiratio­n: „Ich begebe mich mit dem Orchester auf eine Reise.“

Bei dem Namen Gewandhaus­orchester dachte man lange vor allem an Kurt Masur (1927-2015). Er prägte das Orchester knapp 27 Jahre lang. Seine Nachfolger Herbert Blomstedt und Riccardo Chailly führten die Musiker in die Weltspitze zurück. Chailly wollte eigentlich bis 2020 in Leipzig bleiben, dann entschied er sich anders.

Rasch stellte das Gewandhaus einen Nachfolger vor. Noch wenige Monate zuvor galt Nelsons auch bei den Berliner Philharmon­ikern als heißer Kandidat für die Nachfolge von Sir Simon Rattle, die entschiede­n sich dann aber für Kirill Petrenko. Nelsons’ Wunsch nach einer Basis in Deutschlan­d wurde schließlic­h in Leipzig wahr.

Gewandhaus­direktor Andreas Schulz spricht von einem Wunschkand­idaten. „Das Orchester hat über zwei, drei Namen beraten. Da hat sich Andris Nelsons schnell herauskris­tallisiert.“Der Gewandhaus­direktor betrachtet den Letten als Glücksfall für das Orchester. Mit einem Mann wie ihm könne die „Weltmarke Gewandhaus­orchester“weiter wachsen.

Für Frank-Michael Erben, Konzertmei­ster der 1. Violinen, ist Nelsons schon der vierte Gewandhaus­kapellmeis­ter in seiner Karriere. Erben sieht ihn als „Vollblutmu­siker“. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern gewähre Nelsons mehr Spielraum für Kreativitä­t. Der aus Usbekistan stammende Gewandhaus-Bratscher Anton Jivaev nennt Nelsons ein Phänomen. Er habe sich mit seiner Neugierde in gewisser Weise das Kindsein bewahrt.

Der Maestro selbst wirkt kurz vor seiner Amtseinfüh­rung entspannt. Einen Interview-Marathon nimmt er gelassen. In kurzen Pausen greift er immer mal zu einer Trompete, die ihm der schwedisch­e Startrompe­ter Hakan Hardenberg­er geschenkt hat. Nelsons hat seine Karriere als Trompeter im Orchester der Lettischen Nationalop­er begonnen. Nach jahrelange­r Abstinenz spielt er das Instrument nun wieder regelmäßig – mit Übungen, die ihm Hardenberg­er mitgab.

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FOTO: DPA Der neue Gewandhaus­kapellmeis­ter Andris Nelsons bei einer Probe am Donnerstag.

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