Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Charmeoffensive von Daimler-Aktionär Li
Daimlers neuer Großaktionär Li Shufu ist auf Deutschlandtour in Stuttgart und Berlin
BERLIN (AFP) - Nach dem Einstieg als Großaktionär beim Autobauer Daimler ist der chinesische Milliardär Li Shufu zu Gesprächen in Deutschland. Li besuchte gestern laut „Bild am Sonntag“die Konzernzentrale und wird heute in Stuttgart sein. Am Dienstag sei er zu Gast im Kanzleramt in Berlin.
BERLIN (AFP/dpa/sz) - Nach dem Einstieg als Großaktionär bei Daimler ist der chinesische Milliardär Li Shufu offenbar zu Gesprächen in Deutschland: Er sei im Rahmen einer „Charmeoffensive“am Sonntag und Montag zu Besuch in der DaimlerZentrale in Stuttgart und am Dienstag im Kanzleramt in Berlin, berichtete die „Bild am Sonntag“(BamS).
Li kaufte für 7,2 Milliarden Euro einen Anteil von knapp zehn Prozent an Daimler und ist damit zum größten Anteilseigner aufgestiegen. Laut den Informationen der „BamS“wird Li bei Daimler mit mehreren führenden Managern sprechen, darunter Finanzchef Bodo Uebber. Auch ein Treffen mit Vorstandschef Dieter Zetsche sei möglich. Ein Unternehmenssprecher wollte den Bericht am Sonntag nicht kommentieren.
Am Dienstag ist laut „BamS“ein Gespräch Lis im Kanzleramt in Berlin mit dem Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Lars-Hendrick Röller, geplant. Hintergrund seien Bedenken in Deutschland über den Einstieg chinesischer Großinvestoren bei deutschen Unternehmen. Allerdings berichtete die „FAZ“, dass die Bundesregierung keine Bedenken hinsichtlich des Einstiegs von Li bei Daimler sehe. „Aufgrund des Charakters des Investments als Minderheitsbeteiligung besteht weder außenwirtschaftsrechtlicher noch wettbewerbsrechtlicher Handlungsbedarf. Es handelt sich um eine unternehmerische Entscheidung“, zitierte die „FAZ“einen Sprecher der Bundesregierung.
Langfristiges Engagement
Daimler hatte den Einstieg des Besitzers des chinesischen Autoherstellers Geely offiziell zwar begrüßt: Li sei ein „langfristig orientierter Investor“. Nach Informationen des „Handelsblatts“seien die Stuttgarter von der Höhe der Beteiligung aber kalt erwischt worden. „Das ist weitaus mehr, als wir erwartet hatten“, zitierte die Zeitung aus Konzernkreisen. Der Einstieg, hieß es weiter, löse in Stuttgart Besorgnis und Verunsicherung aus. Denn Li verfolge anders als die bisherigen Großaktionäre eine eigene Agenda und stelle Ansprüche. So fordere er laut Industriekreisen einen Platz im Aufsichtsrat von Daimler sowie eine Kooperation zwischen seinen Unternehmen und Daimler bei Elektroautos.
Der chinesische Milliardär erklärte am Samstag, er freue sich „insbesondere“, Daimler auf dem Weg zu einem der weltweit führenden Anbieter von Elektromobilität zu begleiten. Er versicherte, sein Engagement sei „dementsprechend langfristig angelegt“.
Dem 54-jährigen Li, laut „Forbes“zehntreichster Mann Chinas, gehören bereits mehrere Autohersteller in Europa: die schwedische Traditionsmarke Volvo seit 2010 sowie London Taxi, beide zu 100 Prozent. Dazu kommt ein 51-Prozent-Anteil an der britischen Sportwagenfirma Lotus. In Malaysia ist Li zu 49,9 Prozent an Proton Cars beteiligt.
Geely ist der größte private Autokonzern der Volksrepublik mit einem Umsatz von rund 35 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Er betreibt auch den Carsharing-Anbieter Cao Cao, der mit 16 000 elektrisch angetriebenen Autos nach Unternehmensangaben weltweit die umfangreichste E-Auto-Flotte betreibt.
Zum Einstieg bei Daimler erklärte Li: „Die Wettbewerber, die uns im 21. Jahrhundert technologisch herausfordern, kommen nicht aus der Automobilindustrie. Den Kampf um die Zukunft des Automobils wird kein aktueller Branchenspieler alleine gewinnen können.“Es sei „Zeit für ein neues Denken. Mein Engagement bei Daimler reflektiert diese Vision.“
Unterdessen kündigte Daimler seinerseits eine Milliarden-Investition im Reich der Mitte an. Gemeinsam mit dem langjährigen chinesischen Partner BAIC Motor will Daimler die Produktionskapazitäten der Marke Mercedes-Benz ausbauen, um die steigende Nachfrage besser bedienen zu können. Die Unternehmen investieren dazu rund 1,9 Milliarden US-Dollar (1,54 Millionen Euro), teilte BAIC gegenüber der Börsenaufsicht in Hongkong mit.
Es sollen diverse Mercedes-Modelle gefertigt werden – auch Elektroautos, für die es in China mittlerweile Quoten-Vorgaben gibt. Damit soll die Produktionskapazität des Gemeinschaftsunternehmens von Daimler und BAIC – Beijing Benz Automotive – erhöht werden. Wo der Standort gebaut werden soll, war zunächst unklar.
Chinesischer Henry Ford
Für viele Chinesen gilt Li als ein Idol, weil er vor allem durch Fleiß und harte Arbeit zu Reichtum gekommen sei. Die Unternehmerkarriere von Li begann Mitte der 1980er-Jahre, als er mit Freunden eine Fabrik für Kühlschrankteile gründete. Später bauten die jungen Unternehmer Motorräder nach. 1998 erhielt der „chinesische Henry Ford“, wie ihn einige heute nennen, die Lizenz zur Autoherstellung. Seine Firma – nun unter dem neuen Namen Geely – startete mit der Produktion von Fahrzeugen.
Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer nannte den chinesischen Milliardär einen „blendenden Strategen“. Der Milliardär sei sehr offen für die Welt der neuen Mobilität, erklärte Dudenhöffer. Das sei auch das große Plus für Daimler. Allein agierende Unternehmen wie etwa BMW könnten sich demnach in der neuen Welt der Mobilität sehr schwertun gegenüber Google, Apple oder Amazon, die alle mit Macht in das Mobilitätsgeschäft drängten. Daimler habe nun mit Geely einen Partner, der den Silicon-Valley-Konzernen eine Technologiemacht entgegenstelle.