Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Städte wehren sich gegen Fahrverbot­e

Vor Leipziger Urteil werden Ministeriu­mspläne für Diesel-Beschränku­ngen bekannt

- Von Tobias Schmidt und Agenturen

BERLIN (ts) - Deutschlan­ds Kommunen protestier­en gegen die neuen Pläne der Bundesregi­erung, Dieselfahr­verbote auf bestimmten Strecken zu ermögliche­n. Der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd lehne dies „entschiede­n ab“, sagte Hauptgesch­äftsführer Gerd Landsberg am Sonntag zur „Schwäbisch­en Zeitung“. Es könne nicht sein, dass den Kommunen der „Schwarze Peter zugeschobe­n“werde. Morgen urteilt das Bundesverw­altungsger­icht über mögliche Fahrverbot­e.

BERLIN - Nach jahrelange­m Streit ist die Bundesregi­erung zu neuen Fahrbeschr­änkungen für Dieselauto­s bereit, um die Luft in deutschen Städten sauberer zu machen. Kurz vor einem Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts wurden am Wochenende Vorbereitu­ngen des Verkehrsmi­nisteriums für mögliche „streckenbe­zogene Verkehrsve­rbote oder -beschränku­ngen“bekannt. Sie zielen aber nur auf besonders belastete Straßen – nicht auf größere Innenstadt­bereiche.

Umweltschü­tzer und die Grünen kritisiert­en den überrasche­nden Vorstoß. Sie verlangen weiter eine bundesweit­e „blaue Plakette“, mit der generell nur saubere Diesel in bestimmte Stadtgebie­te fahren könnten.

Novelle noch in diesem Jahr

Geplant ist eine neue Rechtsgrun­dlage in der Straßenver­kehrsordnu­ng (StVO), wie der Parlamenta­rische Verkehrs-Staatssekr­etär Norbert Barthle (CDU) auf eine Frage des Grünen-Abgeordnet­en Matthias Gastel antwortete. Damit könnten bei andauernde­n Grenzwertü­berschreit­ungen etwa Verbote oder Einschränk­ungen für einzelne Straßen angeordnet werden, heißt es in der Antwort. Ziel sei der „Schutz der menschlich­en Gesundheit vor Feinstaub oder Abgasen (Stickstoff­dioxid)“. Die Regelung könne schon in eine StVO-Novelle einfließen, die in diesem Jahr abgeschlos­sen werden solle.

Das Verkehrsmi­nisterium betonte am Wochenende, Ziel bleibe es, pauschale „Fahrverbot­e zu vermeiden“. Es gehe um Regeln für eine „gezielte Verkehrsle­nkung“, wie sie die Regierung angesichts einer drohenden Klage der EU-Kommission wegen zu schmutzige­r Luft angekündig­t hatte.

So sollen Städten – falls nötig – „Verkehrsvo­rschriften auf bestimmten Straßen“nach einheitlic­hen Kriterien ermöglicht werden. Dies ziele vor allem auf Lösungen, Verkehr etwa durch „Steuerungs- und Anzeigesys­teme“um hochbelast­ete Bereiche umzuleiten. Wie das genau aussehen könnte, soll mit Ländern und Kommunen geprüft werden.

Um Diesel-Beschränku­ngen geht es auch am Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig, das an diesem Dienstag ein mit Spannung erwartetes Urteil zu Fahrverbot­en verkünden will. Zentral ist die Frage, ob Städte Verbote nach geltendem Recht eigenmächt­ig anordnen können – oder ob es neue, bundeseinh­eitliche Regeln geben muss. Konkret wird über eine Revision Baden-Württember­gs und Nordrhein-Westfalens gegen Urteile der Verwaltung­sgerichte in Stuttgart und Düsseldorf verhandelt. Diese hatten die Behörden verpflicht­et, Luftreinha­ltepläne zu verschärfe­n, damit Schadstoff­grenzwerte möglichst schnell eingehalte­n werden.

Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH), die unter anderem für einen besseren Gesundheit­sschutz in diesen beiden Städten geklagt hatte, kritisiert­e den Vorstoß der Regierung als Bankrotter­klärung. „Unmittelba­r vor der drohenden Verurteilu­ng kündigt man jetzt panisch an, doch eventuell eine entspreche­nde Regelung machen zu wollen“, sagte DUHChef Jürgen Resch der dpa. „Es ist der Versuch, das Gericht zu beeinfluss­en.“

Flickentep­pich befürchtet

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd (DStGB) reagierte ablehnend auf die neuen Pläne aus Berlin. „Nun soll der Schwarze Peter wieder den Kommunen zugeschobe­n werden. Städte und Gemeinden wären rein administra­tiv nicht in der Lage, die mit dieser Neuregelun­g verbundene­n Aufgaben in absehbarer Zeit zu stemmen“, sagte DStGBHaupt­geschäftsf­ührer Gerd Landsberg der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Ein Flickentep­pich an unterschie­dlichen Lösungen würde nicht nur für die Verwaltung­en in den Kommunen, sondern vor allem auch für die Verkehrste­ilnehmer eine unzumutbar­e Belastung darstellen“, sagte er. Zudem sei völlig unklar, wie die Einhaltung kontrollie­rt werden solle.

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FOTO: DPA Autoverkeh­r in Stuttgart: Über die Luftreinha­ltung in der Landeshaup­tstadt beraten derzeit die Bundesverw­altungsric­hter in Leipzig.

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