Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wieso die Waffen trotz der Feuerpause nicht schweigen
Es dauerte mehr als zwei Tage, bis der UN-Sicherheitsrat eine Feuerpause für ganz Syrien beschlossen hatte. „Ohne Verzögerung“sollten die Kriegsparteien alle militärischen Aktionen beenden – was vom Assad-Regime ignoriert wurde. Denn schon vor der Abstimmung war klar, dass dschihadistische Gruppen wie al-Kaida und der „Islamische Staat“von der Feuerpause ausgenommen waren. Auf Drängen Russlands dürfen zudem „andere Individuen, Gruppen sowie Einheiten mit Verbindungen zu Al-Kaida und dem ,IS‘“auch nach Inkrafttreten der Feuerpause bekämpft werden.
So gingen vor allem die Gefechte im vom Bürgerkrieg gegenwärtig am stärksten betroffenen Ost-Ghuta weiter – vielleicht mit etwas geringerer Intensität, dennoch starben sieben Zivilisten. De facto lieferte die UN-Resolution vom Samstag der Assad-Armee eine Art „Carte blanche“, um den Kampf gegen „die Terroristen“mit voller Härte fortzusetzen.
Doch sind alle Aufständischen in Ost-Ghuta Terroristen oder Dschihadisten? Rebellen, auf die das Prädikat „gemässigt“zutrifft, gibt es in Syrien fast nicht mehr. Durch die kaum fassbare Brutalität des Assad-Regimes wurden fast alle Aufständischen radikalisiert und in die Arme von dschihadistischen Gruppen getrieben, deren Ruchlosigkeit ebenfalls keine Grenzen kennt. Der AlKaida nahestehende Verbände sind mittlerweile die kampfkräftigsten. Sie wurden nicht nur von den arabischen Golfstaaten und der Türkei, sondern auch vom Westen mit militärischer Hardware unterstützt.
Ziel der Dschihadisten, die militärisch offenbar weiterhin aus dem Vollen schöpfen können, bleibt der Regierungswechsel in Damaskus. Die vorgeschobene Position in OstGhuta, elf Kilometer vom syrischen Präsidentenpalast entfernt, soll daher unbedingt gehalten werden. Nach dem Verlust von Ost-Aleppo hätte der bewaffnete Widerstand sonst seine letzte „strategische Position“in Syrien verloren.
Damaskus bezeichnet die Lage in Ost-Ghuta als „unhaltbar“: Jede Regierung der Welt würde gegen Terrorbanden vorgehen, die regelmässig das Zentrum ihrer Hauptstadt beschießen. Mehr als 30 Menschen kamen dort in der letzten Woche ums Leben. Der von Aktivisten gemeldete Tod von bis 500 Zivilisten in OstGhuta wird dagegen bestritten. Die Gegenseite, so der Moskauer UNBotschafter Wassili Nebensja voller Zynismus, versuche den Eindruck zu erwecken, als bestünde Ost-Ghuta nur aus Hospitälern, welche von der syrischen Armee gezielt beschossen würden. Dabei seien es die Terroristen, die sich hinter Zivilisten verschanzten. Skrupel, Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen, haben indes auch die Dschihadisten nicht. Auf der anderen Seite ist Assad seit Jahren dafür, Großstädte wie Aleppo und Homs in kollektive Geiselhaft zu nehmen, um den bewaffneten Widerstand auszuschalten – selbst wenn es Jahre dauern sollte.
Merkel und Macron telefonieren mit Russlands Präsident Putin
Fortgesetzte Waffenlieferungen an die Rebellen würden die Leiden der Bevölkerung nur verlängern. Als es nach dem Beginn des Volksaufstandes darauf ankam, den Widerstand zu unterstützen, legte der Westen die Hände in den Schoss. Russland dagegen intervenierte in Syrien brutal und effizient. Moskau wird weiter seine schützende Hand über Assad halten. Daran wird auch der Anruf von Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Sonntag bei Präsident Wladimir Putin wenig ändern.