Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Unglücklic­he Entscheidu­ng

- Von Dieter Kleibauer

Mit ihren Jury-Entscheidu­ngen hat die Berlinale in den vergangene­n Jahren wenig Glück gehabt. All zu häufig entschied sie sich für einen Film, der beim Publikum und auch bei der Kritik kaum eine Rolle spielte. Nun ist es nicht die Aufgabe eines Filmkunstf­estivals, auf den mutmaßlich­en Erfolg zu achten. Doch in diesem Jahr wurde auf jeden Fall der falsche Film ausgezeich­net – zumal es Alternativ­en gegeben hätte.

„Wilde“Filme habe man prämieren wolle, erklärte Jury-Präsident Tom Tykwer, und wild, vogelwild, war die Vergabe des Goldenen Bären an „Touch Me Not“allemal. Ein Film, den viele Zuschauer als zumindest halbpornog­rafisch empfunden haben. Ein häufig gehörter Satz nach den Vorführung­en war, dass man das alles so genau gar nicht sehen und wissen wolle. Bei seiner Sicht auf die Themen Sexualität, Intimität und Identität geht der Film dahin, wo es wehtut. Er kommt eher einer Therapiesi­tzung gleich und scheitert an der Paradoxie, dass intime Probleme ins grelle Licht der Filmkamera gezerrt werden.

Auch wenn die Jury Mut bewiesen hat, bleibt ein ungutes Gefühl. Zumal, wenn man an die Filme denkt, die von dem sechsköpfi­gen Gremium um Tom Tykwer übergangen wurden. Das waren in diesem Jahr vor allem die deutschen Beiträge, die in ihrer Diversität eine starke Staffel bildeten.

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