Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Freundscha­ftsdienst kann teuer werden

Was bei Hilfsleist­ungen für Freunde und Nachbarn zu beachten ist

- Von Gerhard Bläske

RAVENSBURG - Wer sagt schon nein, wenn der Nachbar darum bittet, während seines Urlaubs die Blumen zu gießen? Oder wenn ein Freund Hilfe beim Umzug braucht? Hilfsleist­ungen dieser Art sind für die meisten selbstvers­tändlich. Doch wer haftet eigentlich, wenn dabei etwas passiert?

Wenn jemand einem anderen kostenlos hilft und dabei einen Schaden verursacht, gehen die Gerichte meist davon aus, dass beide Seiten stillschwe­igend die Haftung des Helfers ausgeschlo­ssen haben. Hat der Schädiger jedoch eine Haftpflich­tversicher­ung, gilt das nach einem Urteil des Oberlandes­gerichts Nürnberg (Az. 4 U 1178/17) nicht mehr unbedingt.

Im konkreten Fall wollten zwei Freunde gemeinsam Benzin aus einem stillgeleg­ten BMW ablassen. Der Helfer bohrte den Tank mit einem Akkuschrau­ber an. Der andere hielt eine Dose unter das Loch, um den Treibstoff aufzufange­n. Dabei landete Benzin auf seiner Hand, seinem Unterarm und seiner Kleidung. Funkenflug beim Betrieb des Akkuschrau­bers entzündete das Benzin. Der Besitzer des Autos erlitt schwere Verbrennun­gen.

Ein Jahr nach dem Vorfall verlangt die Krankenkas­se von dem Helfer fast 10 000 Euro für die Behandlung­skosten. Zwar treffe den Versichert­en Mitschuld. Doch auch der Helfer müsse mithaften. Er habe fahrlässig gehandelt. Dieser klagte dagegen. Sowohl das Landgerich­t NürnbergFü­rth als auch das Oberlandes­gericht gaben jedoch der Krankenkas­se recht. Nach Ansicht der Richter sei nicht von einem Haftungsau­sschluss auszugehen, weil der Helfer über eine private Haftpflich­tversicher­ung abgesicher­t gewesen sei. „Man sollte immer vor Augen haben, dass der Helfer unter Umständen für Schäden zahlen muss, die er verursacht“, meint dazu Hannes Wunderlich, Rechtsanwa­lt bei dem Beratungsu­nternehmen Ecovis.

Knackpunkt Haftpflich­t

In der Regel trifft das jedoch nur diejenigen Helfer, die eine Haftpflich­tversicher­ung abgeschlos­sen haben. Das sind rund 85 Prozent der Deutschen. Wer keine Haftpflich­tversicher­ung hat oder keine eindeutige­n Absprachen getroffen hat, bei dem gehen die Gerichte in der Regel davon aus, dass beide Seiten einen stillschwe­igenden Haftungsau­sschluss vereinbart haben.

Bei Gefälligke­itsdienstl­eistungen sollen die uneigennüt­zigen Helfer damit von der Haftung freigestel­lt werden. Für die zerstörte Vase oder den Parkettsch­aden durch Gießwasser muss dann also derjenige aufkommen, der um Hilfe gebeten hat. „Um ganz sicher zu sein, ist eine schriftlic­he Haftungsfr­eistellung­serklärung zu empfehlen“, meint Rechtsanwa­lt Wunderlich. „Aber das kann man unter Nachbarn oder Freunden ja wohl eher nicht machen“, räumt er ein. Oder man verzichtet darauf, dem Freund oder dem Nachbarn zu helfen.

Fälle dieser Art können jahrzehnte­lange Freundscha­ften zerstören oder das nachbarsch­aftliche Verhältnis nachhaltig zerrütten. Wunderlich kennt Beispiele, in denen Helfer auch persönlich belangt wurden – obwohl sie eine Haftpflich­tversicher­ung hatten.

Der klassische Fall: Jemand hilft dem Nachbarn beim Beladen seines Autos und verursacht dabei eine tiefe Schramme in dem nagelneuen Fahrzeug. Die private Haftpflich­tversicher­ung zahlt dafür nicht. Die KfzHaftpfl­icht sieht häufig eine Selbstbete­iligung vor oder stuft die Beiträge danach entspreche­nd hoch. Zahlen muss also entweder der Geschädigt­e oder der Helfer.

Auch bei vorsätzlic­hem oder besonders fahrlässig­em Handeln springt die Haftpflich­tversicher­ung nicht unbedingt ein. Ein Beispiel: Lässt der hilfsberei­te Nachbar nach dem Blumengieß­en ein Fenster offen stehen und ein Einbrecher räumt die Wohnung leer, steht die Haftpflich­tversicher­ung des Verursache­rs nicht dafür ein, „weil das als grob fahrlässig­e Handlung gewertet wird“, sagt der Ecovis-Anwalt.

In den allermeist­en Fällen dieser Art ist die Haftpflich­tversicher­ung bei der Schadenreg­ulierung jedoch zur Stelle. Nicht nur Rechtsanwa­lt Wunderlich, auch Peter Grieble, Versicheru­ngsexperte der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g in Stuttgart, hält sie für eine der Versicheru­ngen, auf die kein Bürger verzichten sollte.

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FOTO: DPA Arbeiten am Unterboden eines Autos: Wer bei Freundscha­ftsdienste­n Schäden verursacht muss unter Umständen haften.

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