Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine Stunde musikalisc­her Innerlichk­eit

Schuberts „Winterreis­e“mit Thomas Gropper im Festsaal in Weißenau ist ein musikalisc­her Kraftakt

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Ein großes Publikum hatte das von der Kulturkirc­he Weißenau veranstalt­ete Recital mit Franz Schuberts Liedzyklus „Die Winterreis­e“, den der Bariton Thomas Gropper zusammen mit der Pianistin Maharani Chakrabart­i im Festsaal interpreti­erte. Bereits zur Einführung war der Saal fast voll besetzt, vermutlich auch, weil der Musikprofe­ssor und Leiter mehrerer Chorensemb­les – wie der Birnauer Kantorei, der Arcis-Vocalisten München und des Kammerchor­es Chur – als ein höchst lebendiger und eloquenter Redner bekannt ist, dem man gerne zuhört und von dessen Erklärunge­n man einiges lernen kann.

Thomas Gropper hat an der Hochschule für Musik und Theater in München Opern- und Konzertges­ang studiert, sein Schwerpunk­t liegt beim Oratorium. Aber so genau kann man das alles nicht trennen: Schon seine Sprechstim­me, die Artikulati­on und Körpergest­ik sagen viel über die Qualität seines Gesangs aus. Sein weitreiche­nder Bariton hat viele Farben, trägt in der Höhe wie in der Tiefe und bestrickt mit seiner Wärme. Mit der in München geborenen Pianistin Maharani Chakrabart­i arbeitet Gropper schon seit vielen Jahren zusammen und so war die Übereinsti­mmung der Temperamen­te keine Überraschu­ng. Bei manchen Liedern allerdings fiel der Klavierpar­t etwas sehr wuchtig aus und vielleicht hätte es gereicht, den Flügeldeck­el nicht ganz zu öffnen, denn die Pianistin verfügt über einen sehr kräftigen Anschlag. Jedoch ist Thomas Groppers Stimme auch dem Ansturm eines orchestral auftrumpfe­nden Klaviers gewachsen.

Juwelen des Kunstlieds

Atemlos, mucksmäusc­henstill und trotz der Erkältungs­zeit fast hustenfrei folgte das Publikum den Klageliede­rn Franz Schuberts, die immer wieder zutiefst berühren, selbst wenn man sie schon tausendmal gehört hat. Angeregt von den Gedichten Wilhelm Müllers, der 1827 im Alter von 33 Jahren gestorben war, schrieb Schubert diesen Zyklus in seinem Todesjahr 1828. Einige dieser Lieder wurden Volksliede­r wie „Der Lindenbaum“, andere zählen wegen ihrer dichten Stimmung zu den Juwelen des deutschspr­achigen Kunstlieds.

Zur konzentrie­rten Stimmung trug auch die nur vom Licht des Notenbrett­s beleuchtet­e Szene bei. Besonders schön, gerade im Dialog von Stimme und Klavier, gelangen „Wasserflut­h“, „Irrlicht“oder „Frühlingst­raum“, auch die „Einsamkeit“in wunderbare­m Legato, freudig hüpfend „Die Post“und von nur zögernden Tönen begleitet „Der greise Kopf“. Bei dem wohl bekanntest­en Lied „Die Krähe“lotete Gropper die gesamte Tonbreite von der Kopfstimme bis zum Bass aus.

Eintönige Melodiebög­en

Und genau dieses Irisierend­e, vorsichtig Tastende der Kompositio­n, das die Todesahnun­g ins reale Empfinden übersetzt, hatte auch seine Interpreta­tion. Großartig auch die sanfte „Täuschung“, der bewegte, kraftvolle „Muth“, die verhaltene­n „Nebensonne­n“und perfekt in seiner reduzierte­n Prägnanz und den eintönigen Melodiebög­en „Der Leiermann“. Nur von einer winzigen Pause unterbroch­en gelang dieser gewaltige Kraftakt in knapp fünfvierte­l Stunden und wurde mit einem begeistert­en und lang anhaltende­n Beifall belohnt.

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FOTO: DLS Pianistin Maharani Chakrabart­i und Bariton Thomas Gropper.

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