Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Es blaut so blau im Baienfurter Rathaus
Die Malerin Daniela Hussel aus Leipzig stellt im Schussental aus – Gleich zwei Premieren
BAIENFURT - Selbst das Rednerpult war mit einem blauen Tuch drapiert, und eine Mitarbeiterin der Verwaltung kam auf die hübsche Idee, für die Vernissage der neuen RathausAusstellung in Baienfurt einen Cocktail in Blau zu kreieren. Das ganze Rathaus-Foyer ist erblaut. Die Künstlerin Daniela Hussel aus Leipzig zeigt fast ausschließlich Bilder in blau, gegenständliche wie ungegenständliche. Eine effektvolle Inszenierung – nicht nur für die Unzahl von Menschen, deren Lieblingsfarbe blau ist, wie für den Schultes.
Die knapp 50 Besucher die sich am Freitagabend zur ersten Kunstausstellung des neuen Jahres im Rathaus Baienfurt einstellten – die üblichen „Verdächtigen“–, erlebten gleich eine doppelte Premiere: Erstmals stellte eine Künstlerin aus, die aus der früheren DDR kommt, erstmals trat die neue Baienfurter KunstKuratorin Dorothée Schraube-Löffler in Aktion. Unter dem hoch geschätzten Kurator Helmut Braun, der in Baienfurt in 14 Jahren insgesamt 34 Ausstellungen betreute und der Ende 2017 verstorben ist, wurde meist hochrangige Kunst aus der Region und dem Südwesten gezeigt. Bürgermeister Binder lobte Brauns Engagement und wies auch auf die wunderbare blaue Kirche Mariä Himmelfahrt hin.
Jetzt weitete Dorothée SchraubeLöffler das Blickfeld aus. Warum das geschah, erläuterte die ebenfalls aus Leipzig angereiste Laudatorin Kerstin Herrlich. Man kenne sich schon lange. Und als Dorothée SchraubeLöffler, eine bekannte Malerin und einst Schülerin des großen Willi Baumeister, zu einer Ausstellung in den Kristallpalast Leipzig eingeladen wurde (sie läuft noch), tauchte die Idee einer Ausstellung Daniela Hussels in Baienfurt auf.
Die in Berlin geborene Künstlerin studierte Bühnenbild an der Hochschule der bildenden Künste in Dresden und später Malerei und Grafik, unter anderen bei Professor Sighard Gille an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Gille malte vor allem Porträts und Landschaften. Die Hochschule gilt als eine Keimzelle der neuen Leipziger Schule (Neo Rausch). Man arbeitet vor allem figurativ.
27 Werke sind zu sehen
Daniela Hussels Kunst changiert zwischen beiden „Welten“. Ihre Herkunft vom Bühnenbild ist unverkennbar. Vieles wirkt ausgesprochen dekorativ, was durchaus nicht abwertend gemeint ist. Wer Daniela Hussels Bilder genau anschaut (27 Arbeiten sind es in Baienfurt, alle in Öl, dazu drei plastische), erkennt schnell, wie raffiniert sie strukturiert sind. Die Künstlerin spielt souverän mit Strukturen, collagiert, ja skelettiert Formen, schleift, übermalt, setzt viele denkbare Materialien ein, selbst Meersalz. Das gegenständlichste Bild, eine „Marschlandschaft“von 2017, sieht aus der Entfernung aus wie ein Foto und offenbart sich dann doch als fein strukturiert. Ein „Wasserfall“von 2013, gewiss das Lieblingsbild vieler, überzeugt durch sein raffiniertes Spiel mit dem Licht. Zwei Bilder Mythos I und II gehören wohl ebenfalls zum Besten der Ausstellung. Ihre Hängung macht aber auch deutlich, dass die Baienfurter Stellwände dringend nachgebessert werden müssten; größere Bilder lassen sich da kaum hängen.
„Traumsatz“heißt das einzige, nicht blaue Bild, ein schönes, ungegenständliches gelb-weißes Farbenspiel. Schade, dass die Künstlerin in Baienfurt keine ihrer kritischen Arbeiten zeigt, die sich zum Beispiel mit der Flüchtlings-Problematik beschäftigt. In diesen schwierigen Zeiten ist es schön zu erleben, dass Kunst keine Kompromisse machen muss (im Gegensatz zur Politik). Daniela Hussel spielt souverän auf dieser Klaviatur, auch wenn das Feld der geheimnisvollsten aller Farben längst bestellt ist: nicht erst seit der blauen Blume der Sehnsucht des romantischen Dichters Novalis, , des Blauen Reiters der Expressionisten und vor allem des Franzosen Yves Klein, der sein Ultramarin sogar patentieren ließ. Die Nischen, in denen sich Kunst heutzutage noch profilieren kann, werden immer kleiner. Daniela Hussel leistet dazu einen ästhetischen, populären Beitrag.
Drei junge Frauen erfreuten die Besucher der Vernissage mit feinen Liedern, und das Publikum erklatschte sogar noch eine Zugabe.
Die Ausstellung im Rathaus Baienfurt dauert bis 23. März. Sie ist zu folgenden Öffnungszeiten zu sehen: Montag bis Freitag von 9 bis 12.15 Uhr und zusätzlich montags von 14 bis 16 Uhr und donnerstags von 14 bis 18 Uhr.