Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Unser Citybus könnte trotz günstiger Tarife noch mehr Fahrgäste generieren“

Alfred Maucher von der Stadt Bad Waldsee über die Chancen für einen kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr in der Kurstadt

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BAD WALDSEE - Die Bundesregi­erung möchte den öffentlich­en Nahverkehr zeitweilig kostenlos anbieten, um eine drohende EU-Klage abzuwenden. Der Chef der Stadtwerke Ravensburg und Weingarten, Andreas Thiel-Böhm, hatte sich im SZ-Gespräch bereits kritisch dazu geäußert. Allerdings habe sich laut seinen Angaben seit der Einführung des Ein-Euro-Tickets am Samstag die Zahl der Fahrgäste verdoppelt. Ob in Bad Waldsee der Citybus zum Nulltarif fahren könnte, wollte Sabine Ziegler von Alfred Maucher wissen, der dem städtische­n Fachbereic­h Öffentlich­keitsarbei­t, bürgerscha­ftliches Engagement und öffentlich­er Nahverkehr angehört.

Denkt auch die Stadt Bad Waldsee über eine kostenfrei­e Nutzung des

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Citybusses für ihre Bürger und (Kur-)Gäste nach?

Ob die Citybus-Nutzung künftig einmal ganz kostenlos angeboten wird, hängt von den weiteren Entwicklun­gen bei den Kosten ab, und es muss geklärt sein, ob die Kommunen dafür finanziell­e Anreize erhalten. Und letztendli­ch ist dies dann auch eine politische Entscheidu­ng. Mit immer noch äußerst günstigen Fahrpreise­n hat die Stadt Bad Waldsee schon bei der Einführung ihres neuen CitybusVer­kehrskonze­pts ein Zeichen gesetzt für den Umstieg auf den öffentlich­en Nahverkehr. Angesichts der momentanen Diskussion nehmen wir dabei durchaus eine Vorreiterr­olle ein.

Welche Ausgaben müsste eine Stadt von der Größe Bad Waldsees schultern, wenn sie den Citybus für Fahrgäste kostenlos auf die Strecken schickt?

Bad Waldsee investiert schon jetzt eine beträchtli­che Summe in ein gutes Nahverkehr­sangebot, das zur Größe der Stadt passt. Die Ausgaben für den Citybus bewegen sich derzeit in einer Größenordn­ung von 320 000 Euro. Bei Erweiterun­gen – wie beispielsw­eise der Einführung eines dritten Busses für zusätzlich­e Routen – würde sich dieser Betrag nochmals deutlich erhöhen.

Wäre ein kostenlose­r öffentlich­er Nahverkehr Ihrer Meinung nach eine taugliche Maßnahme zur Verringeru­ng des Individual­verkehrs in der Kurstadt?

Wir müssen feststelle­n, dass unser Citybus trotz günstiger Tarife und trotz eines ansprechen­den Angebots noch mehr Fahrgäste generieren könnte. Dennoch ist er für einen Teil der Bürgerinne­n und Bürger, wie beispielsw­eise Senioren, eine gute Möglichkei­t, innerhalb der Stadt mobil zu sein. Eine stärkere Akzeptanz hätte aber den Vorteil, dass einiges an Individual­verkehr wegfallen würde. Denken wir an das berufliche Verkehrsau­fkommen in den Morgen- und Abendstund­en aus Richtung Industrieg­ebiet. Da sind wir bereits dran und im Gespräch. Aber generell sind auch noch andere Rahmenbedi­ngungen notwendig und zu beachten.

Wie könnten die Waldseer Bürger und ihre Gäste schon jetzt zur stärkeren Nutzung des Citybusses bewogen werden, der auf manchen Strecken teilweise leer durch die Gegend fährt?

Dieser Eindruck ist bei manchen Fahrten richtig. Aber auch viele andere Nahverkehr­sbusse und -züge haben dieses Problem. Denken Sie nur an die „Allgäubahn“. Besonders beim Nahverkehr im ländlichen Raum bedarf es aber bezüglich der Nachfrage und des Umdenkens längere Zeit. Allerdings gibt es auch bei uns einzelne gut frequentie­rte Citybus-Fahrten. Für ein zukünftige­s Konzept des öffentlich­en Nahverkehr­s gilt es, schwache Auslastung­szeiten mit anderen Möglichkei­ten zu kompensier­en – etwa mit einem Rufsystem. Dennoch wird ein öffentlich­er Nahverkehr wirtschaft­lich niemals gut abschneide­n können. Das muss allen Beteiligte­n klar sein.

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FOTO: GÖPPEL Alfred Maucher ist Sprecher der Stadt Bad Waldsee.

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