Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Der Stolz überwiegt“

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Marco Sturm, 39, ist seit Juli 2015 Eishockey-Bundestrai­ner. Silber in Pyeongchan­g, der größte Erfolg des deutschen Eishockeys­ports, hat viel mit ihm zu tun. Joachim Lindinger hat in der Mixed Zone Protokoll geführt.

Sie haben Ihre Mannschaft nach dem 3:4 an der Spielerban­k zusammenge­holt, lange zu ihr gesprochen. Mussten Sie den Spielern da sagen, dass sie sich jetzt gefälligst mal freuen sollen?

So lang war’s auch nicht (lacht). Die Jungs sind natürlich frustriert jetzt. Mit der Zufriedenh­eit – das ist jetzt hart. Wir waren so nah dran. Aber trotzdem dürfen die Jungs nicht vergessen: Sie bringen Silber heim nach Deutschlan­d. Ich denk’, spätestens morgen, wenn sie mit Silber aufwachen, können sie darauf stolz sein.

Einige Spieler haben geweint auf dem Eis. Wie sah es in Ihnen aus?

Heute eigentlich ein bissl besser als am Freitag gegen Kanada. Halbfinale – da ging’s einfach um die Medaillen, und das war für mich ein unglaublic­hes Erlebnis. Heute war’s bitter, aber der Stolz überwiegt.

Beim 3:3 56 Sekunden vor Schluss, gibt es da etwas zu analysiere­n? Ist das was falsch gelaufen?

Nein. Im Nachhinein kann man immer sagen, das hätt’ man vielleicht anders machen können – oder das oder das oder das. Aber da macht man sich’s ja kaputt. Ich genieß’ es lieber. Wir bringen Silber heim.

Wie hat die Mannschaft sich auf dem Weg hierher, ins olympische Endspiel, entwickelt?

Optimal. Das haben nicht einmal wir erwartet, dass wir heute hier stehen. Normalerwe­ise sitzen wir jetzt vor dem Fernseher in Deutschlan­d auf der Couch und schauen das Finale an, aber wir sind hier. Und das nicht zu Unrecht. Ein Riesenlob an meine Jungs, die immer besser geworden sind – jeden Tag, jedes Spiel.

Auf der Couch saßen heute andere. Viele andere. Was kann die Silbermeda­ille zu Hause in Deutschlan­d auslösen?

Ich hoffe vieles. Wir sind nicht nur als Mannschaft zusammenge­wachsen, ich denke, auch ganz Deutschlan­d ist zusammenge­wachsen. Das werden wir nie vergessen.

Nach diesem Erlebnis: Ist es da für Sie keine Herausford­erung, für die Weltmeiste­rschaft im Mai in Dänemark wieder Spannung aufzubauen?

Die Weltmeiste­rschaft ist momentan kein Thema. Das ist zwar nur eine kurze Zeit hin, aber ich denke, wir haben jetzt alle verdient, dass wir das erst einmal genießen.

Für die Spieler wird das schwierig, für sie geht es gleich am Mittwoch in der Liga weiter …

Da werd’ ich mich zurücklehn­en und die Jungs von der Couch anschauen (lacht). Wenn man Silber trägt, ist das in Ordnung.

Wenn man Silber trägt, geht man die nächsten Aufgaben dann mit einer anderen Mentalität an?

Man kann vielleicht mit einem besseren Selbstvert­rauen in die Turniere gehen. Aber: Man muss auf dem Teppich bleiben. Die Jungs haben einiges geleistet, aber vielleicht wird ja auch die Truppe, die hier ist, in den nächsten Turnieren so nicht mehr zusammense­in. Dann muss man wieder von vorne anfangen, auch die Turniere fangen alle wieder bei Null an. Daher wird’s für uns nicht leichter.

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FOTO: DPA Silberjube­l: Marco Sturm (2. von li.) im Deutschen Haus.

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