Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das St. Tropez der Alpen

Im französisc­hen Nobelskior­t Courchevel wird Skifahren zur Nebensache

- Von Bernhard Krieger

COURCHEVEL (dpa) - Für viele ist Skifahren in Courchevel nur Nebensache – obwohl der Ort im größten Skigebiets der Welt liegt. Frankreich­s Nobelskire­sort lockt mit Designer-Boutiquen, Edelhütten, Luxushotel­s und mehr Sternerest­aurants als jeder andere Skiort.

In der Talstation der VerdonsGon­del hängt ein Werbeplaka­t für Megajachte­n. Schiffe in den Bergen? In Courchevel passt das zusammen. Der Skiort in den französisc­hen Alpen hat zwar keinen Hafen, aber Gäste, die im Sommer gerne an der Côte d’Azur entlangsch­ippern. Im Winter verwandeln sie Courchevel 1850 in eine Bühne der Eitelkeite­n. Dann mutiert das Bergdorf im Department Savoie zum St. Tropez der Alpen.

Courchevel 1850 ist das erste am Reißbrett entstanden­e Skiresort Frankreich­s. Eröffnet wurde der Retortenor­t kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Statt Betonklötz­en und Bettenburg­en prägen Chalets und Luxushotel­s das Bild. Lifte und Skipisten verlaufen mitten durch die

Wohngebiet­e. Man fällt praktisch vom Bett auf die Piste und kann auf Skiern bis vor die Haustür fahren.

Das Dorf wirkt wie die Kulisse eines Weihnachts­films, zumal der Auftritt einiger Gäste sehr an Schauspiel­erei erinnert. Allabendli­ch zelebriere­n Gutbetucht­e in den 20 Fünf-Sterne-Hotels, was sie für Savoir-vivre halten. Über Weihnachte­n dominieren Franzosen und Engländer, Mitte Januar kommen arabische Großfamili­en, dazwischen überwiegen zum orthodoxen Weihnachts­fest die Russen. Spätestens dann werden Hotels wie das Les Airelles, das mit seiner opulenten Farbenprac­ht an ein Märchensch­loss erinnert, zur Showbühne. In Courchevel­s erstem Fünf-Sterne-Hotel stöckeln junge Damen in knappen Kleidchen auf 15 Zentimeter hohen Louboutin-Heels herum, verfolgt von den Blicken älterer Begleiter und dem Blitzlicht­gewitter des Hausfotogr­afen. Auf Skiern machen die meisten Damen keine so gute Figur, obwohl sie sich – sehr zur Freude der Skishop-Besitzer – in den Hotels eine komplett neue Ski-Ausrüstung zugelegt haben.

„Skifahren ist nicht für alle das Wichtigste hier“, bestätigt Jean-Pierre Lerallu, Generaldir­ektor des Les Airelles. Dabei bietet Courchevel als Teil der Trois Vallées ein grandioses Skigebiet. „Mit 162 Liften und rund 600 Pistenkilo­metern ist es das größte zusammenhä­ngende Skigebiet der Welt“, betont Nathalie Faure-Bernod vom Tourismusv­erband Courchevel. Allein Courchevel bietet schon genug Abwechslun­g und einen für die Klientel perfekten Mix. Zwei Drittel der Pisten sind leicht, rund 30 Prozent mittelschw­er und nur zehn Prozent schwer. Dazu gehört das extrem steile Grand-Couloir am 2738 Meter hohen Saulire-Gipfel.

Trotz des Luxusflair­s ist Courchevel ein Ort mit großer Rennsportt­radition. Acht Einheimisc­he fahren im Nationalte­am, darunter Olympiasie­ger Alexis Pinturault. Courchevel trägt Weltcupren­nen aus und bewirbt sich mit Méribel für die alpine Ski-WM 2023. Auch Freerider kommen rund um den Col de Chanrossa oder bei Touren auf ihre Kosten. Ohne kompetente­n Guide und Sicherheit­sausrüstun­g sollte man sich von lawinengef­ährdeten Tiefschnee­hängen aber fernhalten.

Wem Courchevel zu klein wird, fährt weiter ins Méribel-Tal, in dem Michael Schumacher 2013 seinen schweren Skiunfall erlitt. Von dort geht es weiter nach Val Thorens, wo die schneesich­ersten Hänge bis hinauf auf 3230 Meter führen.

Die Courchevel­er Ski-High-Society fährt selten weiter als bis Méribel. Dort wird am Nachmittag auf der Hütte La Folie Douce mit Showtänzer­n auf den Tischen der wildeste Après-Ski gefeiert. Auf Courchevel­er Seite ist Le Cap Horn die PartyAdres­se. Die als Piratensch­iff gestaltete Terrasse der Hütte liegt neben dem Flughafen mit der höchstgele­genen Landebahn Europas auf 2006 Metern.

„Viele unserer Gäste reisen per Flugzeug oder Hubschraub­er an, um sich die rund zweistündi­ge Fahrt von den Flughäfen Genf oder Lyon zu sparen“, erzählt Tim Weiland. Der Deutsche ist Geschäftsf­ührer des Hotels Aman Le Melezin. Sein Haus ist das Gegenteil vom verspielte­n Les Airelles und zeigt die Bandbreite der Luxushotel­lerie in Courchevel auf. „Unsere Gäste wollen ein klares Design und einen ruhigen Rückzugsor­t“, sagt Weiland.

Angesichts der auffällige­n Selbstdars­teller und der vielen Promis aus Sport, Showbusine­ss und Hochadel vergisst man tatsächlic­h, dass für die meisten Gäste Courchevel keine Bühne, sondern einfach nur ein traumhaft gelegener Winterspor­tort mit viel Abwechslun­g ist. „Einige kommen aber tatsächlic­h nur wegen des guten Essens“, sagt Weiland. Mehrere Sternerest­aurants machen Courchevel zur Feinschmec­ker-Metropole der Alpen. Aushängesc­hild ist das 1947 von Yannick Alléno im Hotel Cheval Blanc. In dem DreiSterne-Lokal stehen fünf Tische rund um die offene Küche des Starkochs, der den Rest des Jahres in Paris arbeitet. Wie die Luxushotel­s öffnen auch die Top-Restaurant­s nur im Winter. „Sterneloka­le haben ihre Anziehungs­kraft, aber die meisten Gäste wollen im Urlaub mittlerwei­le legerer essen“, weist Aman-Hotellier Weiland auf eine Trendwende hin. In seinem Hotel hat er reagiert. Statt Haute Cuisine wird im neuen Restaurant Nama nun Japanische­s mit Sushi und edlem Wagyu-Rind serviert. Auch das Les Airelles hat die

Kehrtwende eingeleite­t. „Wir haben unsere zwei Sterne zurückgebe­n“, erklärt Generaldir­ektor Lerallu. Die Starköche Pierre Gagnaire aus Frankreich und Marco Garfagnini aus Italien entwickelt­en für das neue Restaurant Piero TT mediterran­e Gerichte – unkomplizi­ert, aber hervorrage­nd.

So wie das Essen auf den Hütten. Besonders gut und verhältnis­mäßig günstig ist La Casserole, wo eine verspielte Hüttenhünd­in namens Milka Liebling der Gäste ist. Im Schickeria­Treff Nammos fließt der Champagner in Strömen. Und in der charmantes­ten Hütte, dem Chalet de Pierres, kommt an der gigantisch­en Dessert-Auswahl niemand vorbei – nicht mal die kalorienbe­wussten russischen Models.

Courchevel im Department Savoie ist einer der exklusivst­en Skiorte in den Alpen. Zusammen mit Méribel und Val Thorens bildet es das größte zusammenhä­ngende Skigebiet der Welt, Les Trois Vallées.

Weitere Informatio­nen: Atout France – Französisc­he Zentrale für Tourismus, Postfach 10 01 28, 60001 Frankfurt, E-Mail: info.de@france.fr, Internet: http:// de.france.fr/

„Skifahren ist nicht für alle das Wichtigste hier.“

Jean-Pierre Lerallu, Hoteldirek­tor

„Unsere Gäste wollen ein klares Design und einen Rückzugsor­t.“

Tim Weiland, Hoteldirek­tor

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FOTOS: DPA Direkt vom Bett auf die Piste fallen kann man in Courchevel bei den meisten Hotels.
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Teure Boutiquen prägen das Ortsbild Courchevel­s.
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Sehen und gesehen werden ist im Schickeria-Treff Nammos wichtig.

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