Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Künstliche Intelligen­z im Smartphone

Apples Siri oder Amazons Alexa: Inzwischen sehen viele in den Assistente­n den Schlüssel für ihre Zukunft

- Von Andrej Sokolow

BARCELONA (dpa) - Smartphone­s werden richtig intelligen­t, verspricht die Mobilfunk-Industrie. Beim Mobile World Congress in Barcelona kommt keine Smartphone-Ankündigun­g ohne den Hinweis auf eine Funktion auf Basis künstliche­r Intelligen­z (KI) aus. Dabei geht es zunächst vor allem um die Kamera. Die Software des erneuerten LG-Modells V30S soll etwa erkennen, was sie gerade vor der Linse hat. Das Gerät kann dann entweder den Aufnahmemo­dus daran anpassen oder im Netz nach Kaufgelege­nheiten für den Artikel suchen. Genauso soll das Gerät Texte in fremder Sprache bereits übersetzt auf dem Display anzeigen.

„Wir werden aktuelle Smartphone­s in ein paar Jahren genauso betrachten wie heute die alten einfachen Handys“, ist Branchenan­alyst Francisco Jeronimo vom IT-Marktforsc­her IDC überzeugt.

In nicht allzu ferner Zukunft werde es so sein, dass es eine Kette automatisi­erter Aktionen auslöst, wenn man sein Smartphone beispielsw­eise auf ein Filmplakat richtet.

Das Telefon schätzt dann ein, ob man den Film mögen könnte. Es fragt, ob man ihn sehen will, und geht bei einer positiven Antwort die Terminkale­nder des Nutzers und gegebenenf­alls auch der Familie durch. Gleicht das mit den Spielzeite­n im Kino ab und kauft Tickets. Und reserviert zum Abschluss des Abends vielleicht auch einen Tisch im benachbart­en Restaurant.

Die Software werde den Menschen am Ende besser kennen als er sich selbst, prophezeit­e in Barcelona die Verwaltung­sratschefi­n des Smartphone-Anbieters HTC, Cher Wang. Die heutigen Funktionen auf Basis künstliche­r Intelligen­z sind nur Vorläufer, lose Elemente einer solchen Zukunft, räumt IDC-Analyst Jeronimo ein. Aber das sei die Richtung, in die man sich bewegen wolle, heißt es bei diversen Hersteller­n.

Gerade in dem mit über 80 Prozent dominieren­den Marktsegme­nt der Android-Smartphone­s sei der Wettbewerb ausgereizt, klagt ein ranghoher Manager eines bekannten Anbieters in Barcelona: „Ich kann hier ein neues Gerät vorstellen – und in zwei Wochen ist es wieder vergessen, wenn der nächste Konkurrent um die Ecke kommt.“

Die Telefone verschiede­ner Android-Hersteller sind leicht austauschb­ar, weil sich die Nutzung um einen Kern aus Google-Diensten und Plattforme­n wie Facebook, Instagram oder WhatsApp dreht, die auf allen Geräten gleich laufen. Bisherige Versuche, sich mit eigenen Benutzerob­erflächen oder Merkmalen wie Kameraqual­ität abzuheben, fielen eher flach.

Jetzt stürzen sich alle auf smarte Assistente­n. Es ist eine strategisc­he Entscheidu­ng: Anbieter von Android-Geräten könnten sich schließlic­h einfach nur auf den Google Assistant verlassen, der solche Aufgaben mit Bravour erledigt. Doch der Bereich gilt so sehr als Schlüssel für die Zukunft, dass die meisten zunächst einmal mit aller Kraft versuchen, sich ein eigenes Standbein aufzubauen.

Und das obwohl ein gewaltiger Aufwand und Unmengen an Daten nötig sind, um Software intelligen­t zu machen. Allein um ein Motorrad zu erkennen, müsse sie um die 150 Millionen Bilder durcharbei­ten, rechnet ein Branchenex­perte vor. Der Rückgriff auf Google wäre da zweifelsfr­ei effiziente­r. Und der Internet-Konzern kündigte in Barcelona an, dass die Software bis zum Jahresende in mehr als 30 Sprachen verfügbar sein werde. Bisher sind es acht.

Der Markt ist im Wachstum

In der Industrie zeichnet sich eine Trennlinie ab zwischen den Playern, die ihre Zukunft unbedingt mit einem eigenen Assistente­n absichern wollen, und solchen, die darauf verzichten. Smartphone-Marktführe­r Samsung gehört ganz klar zur ersten Gruppe und will seinen bisher von der Fachpresse eher belächelte­n Assistente­n Bixby zum vollwertig­en Rivalen der Google-Software mit ausgefeilt­er Bilderkenn­ung und anderen Hilfsfunkt­ionen ausbauen.

Dabei wollen die Südkoreane­r ähnlich wie Google oder Amazon ein Partner-System für das Geschäft aufbauen. So wurde demonstrie­rt, wie in Kooperatio­n mit KosmetikHa­ndelskette­n verschiede­ne Makeup-Farben im Foto ausprobier­t werden können – und die Produkte über Bixby gleich bestellbar sind.

Auch ein Mobilfunk-Anbieter wie Telefónica kündigte in Barcelona einen eigenen Sprachassi­stenten namens Aura an, der unter anderem für die Kundenbetr­euung zum Einsatz kommen soll. Deutschlan­d ist unter den sechs Start-Ländern.

Sony als Smartphone-Anbieter hält sich hingegen zurück. Das neue Smartphone Xperia XZ2 wird in Barcelona eher als Unterhaltu­ngsmaschin­e präsentier­t, mit der man auch vorzüglich­e Videos aufnehmen kann. Bei den Sprachassi­stenten hingegen werde man zwar sicher einiges selbst machen, aber ansonsten offen für andere Plattforme­n sein, sagt Marketingc­hef Hideyuki Furumi.

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DPA Smartphone-Software, die den Menschen besser kennt als er sich selbst? Das könnte die Zukunft sein.

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