Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Populisten und Rechte siegen in Italien
Schwierige Regierungsbildung erwartet – Sozialdemokrat Renzi tritt zurück
ROM - Populisten, EU-Feinde und rechtsextreme Parteien sind die Gewinner der Parlamentswahl in Italien. Die Anti-System-Partei FünfSterne-Bewegung wurde mit rund 32 Prozent stärkste Partei. Das rechte Parteienbündnis von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi kam auf etwa 37 Prozent, wobei die fremdenfeindliche Lega von Matteo Salvini mit circa 18 Prozent Berlusconis Forza Italia mit 14 Prozent überrundete. Die regierenden Sozialdemokraten kamen auf weniger als 19 Prozent. Parteichef Matteo Renzi kündigte nach den bitteren Verlusten seinen Rücktritt an.
Sowohl die Fünf-Sterne-Bewegung als auch die Lega beanspruchten die Regierungsführung für sich. Luigi di Maio, der Vorsitzende der Fünf-Sterne-Bewegung, sagte am Montag: „Wir sind die absoluten Gewinner.“Lega-Chef Matteo Salvini erklärte ebenfalls: „Wir haben das Recht und die Pflicht zu regieren.“Beide haben indes keine Mehrheit.
Angesichts der schwierigen Regierungsbildung herrscht in der EU Sorge wegen einer möglichen politischen Lähmung Italiens. Investoren und andere europäische Hauptstädte erfüllte die Aussicht auf einen möglichen Regierungschef aus dem Lager der Lega mit Besorgnis. Führende europäische Rechtspopulisten zeigten sich derweil erfreut über das Ergebnis.
Als Sergio Mattarella im Februar 2015 das Amt des italienischen Staatspräsidenten übernahm, wusste er, dass er fortan im Rampenlicht stehen würde – genau das also, was dem eher schüchternen Verfassungsexperten gar nicht gefällt. Aber der Jurist, Witwer und Vater von drei Kindern gehört zu jener Spezies Mensch, die sich pflichtbewusst in ihr Schicksal ergibt.
Dabei wirkt Mattarella distanziert und ein wenig kühl. Der 76-Jährige repräsentiert durch und durch die Figur eines Staatspräsidenten, der weiß, was er zu tun hat. Vor allem als Garant des Staates und der Überparteilichkeit. Ihm nachzusagen, dass er als Präsident sozialdemokratische Sympathien zeige, greift bei diesem Mann zu kurz. Und doch ist nicht ausgeschlossen, dass er Ende des Monats oder Anfang April angesichts der unklaren Mehrheitsverhältnisse nach der Parlamentswahl den Sozialdemokraten Paolo Gentiloni, den ausscheidenden Regierungschef, mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragen könnte, die so lange im Amt bleiben soll, bis ein neues Wahlrecht endlich eine klare Mehrheit schaffen kann.
Was er ganz persönlich politisch denkt und wählt, bleibt offiziell offen. Als ehemaliger gewiefter Christdemokrat und enger Mitarbeiter von Giulio Andreotti weiß Mattarella, dass Schweigen Gold ist. Das wissen auch Italiens Parteichefs, und deshalb umwerben sie den Staatspräsidenten nach dem Wahlausgang mit honigsüßen Worten.
Mattarella, in Palermo geboren, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Rom. Von 1983 bis 2008 war er Mitglied der italienischen Abgeordnetenkammer. Sein älterer Bruder war Präsident der Region Sizilien und wurde 1980 von der Mafia ermordet. Mattarellas Frau starb 2012. Bei Staatsbesuchen begleitet ihn oft seine Tochter Laura. Thomas Migge