Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Über Ängste und Gottvergessenheit
Abt Notker Wolf hält Fastenpredigt vor rund 700 Zuhörern
RAVENSBURG - Vor gut 700 Zuhörern hat der Benediktiner Abt Notker Wolf in Liebfrauen seine Fastenpredigt gehalten. Er sprach über Ängste, Gottvergessenheit und christlichen Glauben. Schon im Alter von 37 Jahren wurde der 1940 im Allgäu geborene Pater zum Erz-Abt des Benediktinerklosters St. Ottilien gewählt. Damals sei ihm wichtig gewesen, ein angstfreies Kloster zu leiten. Dieses Amt übte er 23 Jahre lang aus, bis er zum Abtprimas der benediktinischen Konförderation berufen wurde. Erst 2016 kehrte er wieder in sein Heimatkloster St. Ottilien zurück.
Diffuse Ängste, die sich epidemieartig ausbreiten, hätten sich, so der Pater, über das Land gelegt. Angefangen bei der „German Angst“, spezifisch deutschen Ängsten des Verlusts von Sicherheiten und Bequemlichkeiten bis hin zu den Ängsten, die die ganze Menschheit bedrohen. Abt Notker nannte hier vor allem die atomare Bedrohung, die nicht mehr nur von Nordkorea ausgehe sondern zunehmend auch von Amerika und neuerdings auch wieder von Russland. „Alle wollen wieder stärker als der andere sein“, so der Pater. Den Antworten auf diese Ängste, die von Gesellschaft und Politik ausgehen, Technisierung, Digitalisierung, Energiewende und Nachhaltigkeit steht der Kirchenmann mit Vorbehalten gegenüber: „Im Grunde genommen haben wir es mit sehr viel Hilflosigkeit zu tun“.
Abt Notker ist sich eines Zusammenhanges sehr sicher: „Unsere Ängste haben auch damit zu tun, dass wir spüren: Gott ist nicht mehr da, wir haben ihn vergessen.“Und weiter: „Wir gehen nicht die Angst vom Glauben her an.“
Es klingt ein wenig überraschend, wenn er von seinem Umgang mit Flugangst erzählt. Er, der in seinem römischen Amt um die 300 000 Flugkilometer jährlich hinter sich brachte, sei gefragt worden, ob er denn keine Angst vor dem Fliegen gehabt habe. Abt Notker: „Ich mache mir ein Kreuzeszeichen auf die Stirn und dann bin ich in Gott geborgen.“Seine Mutter habe ihm bis zu ihren Tod jedes Mal ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet, wenn er das Haus verließ. Dazu sagte sie: „Geh mit Gott“.
Das Vocalcollegium Ravensburg sang unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Rudolf Schadt die Vertonung des 91. Psalms von Felix Mendelssohn Bartholdy: „Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen.“