Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zwischen Pendlern

Verkehrsmi­nister Hermann (Grüne) und Bahnvorsta­nd Huber hören sich Probleme der Reisenden an

- Von Alexia Angelopoul­ou

STUTTGART (lsw) - Auf diese Gelegenhei­t hat manch ein Pendler gewartet: Einmal dem Verkehrsmi­nister sagen, was er von der Qualität des Regionalba­hn-Angebots hält. „Ach, das ist ja der Herr Hermann!“, ruft ein Fahrgast, als er den Minister am Freitagmor­gen im Regionalzu­g aus Mosbach-Neckarelz Richtung Stuttgart entdeckt. „Ihnen habe ich auch schon mal eine Mail geschriebe­n!“

Die Beschwerde­mails der Pendler im Postfach von Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) machen deutlich, wie dringlich die Probleme auf den Regional-Strecken Frankenbah­n, Filstalbah­n und Remsbahn sind. „Wir erhalten Tausende Mails, die Menschen tippen gleich am Bahnsteig, während sie auf den verspätete­n Zug warten.“Dabei, sagt Hermann, sei er doch gar nicht der Lokführer oder die Bahn!

Deshalb hat er Berthold Huber, den Bahnvorsta­nd für Verkehr und Transport, eingeladen, sich gemeinsam auf Pendlerfah­rt zu begeben. Freitagfrü­h um 5.58 Uhr ging es von Stuttgart bis Bad Friedrichs­hall, um im Berufsverk­ehr auf der berüchtigt­en Strecke Frankenbah­n zurück in die Landeshaup­tstadt zu „pendeln“.

Weil nach der Ausschreib­ung der Netze im kommenden Jahr ein niederländ­ischer Anbieter den Zugverkehr übernehmen wird, lohnt es sich für die Bahn nicht, in neue Züge zu investiere­n. Außerdem gibt es Personalen­gpässe: Der künftige Betreiber Abellio zahlt weniger, die Mitarbeite­r der Bahn wollen nicht für ihn arbeiten, wenn es losgeht. Stattdesse­n haben viele innerhalb des Bahnkonzer­ns die Stelle gewechselt, um auch in Zukunft bei der Bahn zu bleiben.

Bahn musste Strafe zahlen

Im Juli 2017 vereinbart­en Land und Bahn angesichts der Probleme einen Aktionspla­n. Störungen wie defekte Türen, Beleuchtun­g und Toiletten nahmen um ein Drittel ab, die Pünktlichk­eit verbessert­e sich, die Quote der Zugausfäll­e ging leicht zurück. Gut 10 000 Fahrgäste wurden mit zwei Millionen Euro entschädig­t. Dennoch musste die Bahn dem Land wegen schlechter Leistungen elf Millionen Euro Strafe zahlen. Das Geld soll für zusätzlich­e Wagen und Zugbegleit­er ausgegeben werden. Viele Pendler interessie­ren diese Details wenig. „Seit 31 Jahren fahre ich auf dieser Strecke, seit 31 Jahren! Was ich hier erlebe, ist schlimm“, sagt ein älterer Herr erbost. „Ich habe keine Hoffnung, dass es besser wird.“Er fragt misstrauis­ch bei Hermann und Huber nach: „Sind Sie zufällig da? Kommen wir deshalb heute pünktlich an, weil Sie mitfahren?“

Nein, versichert Bahnvorsta­nd Huber, an seinem Besuch liege es nicht. So einfach lässt sich Pünktlichk­eit nicht herstellen. „Wir arbeiten intensiv daran“, verspricht er, „und es ist ja auch schon besser geworden, obwohl wir noch viel tun müssen“. Das bestätigen übrigens auch viele der Pendler, sobald sie ihre Wut über kaputte Klimaanlag­en, dreckige Waggons und Zugausfäll­e losgeworde­n sind. Besonders nervt es die Fahrgäste, wenn sie nicht informiert werden. Auf die App „Streckenag­ent“könne man sich verlassen, man sollte es aber nicht tun, ist die einhellige Meinung. Auch hier verspricht Huber Abhilfe. Künftig soll die App rund um die Uhr aktualisie­rt werden, bisher war nur tagsüber Personal dafür abgestellt.

Das Personal übrigens kommt bei der Mini-Gästebefra­gung gut weg. Freundlich seien die Zugbegleit­er und zuvorkomme­nd, und an ihnen liege es ja schließlic­h auch nicht, finden die Kunden. Einer der Zugbegleit­er sagt seinem Vorstand später auf dem Bahnsteig: „Wir tun, was wir können. Aber manches haben wir einfach nicht in der Hand.“

Für den ökologisch­en Verkehrscl­ub Deutschlan­d (VCD) ist die Fahrt von Hermann und Huber eine „Goodwill-Aktion“, mit der gezeigt werden soll, dass man etwas unternimmt. Es habe sich zwar in den ersten Wochen des Jahres einiges verbessert, aber es fielen immer noch Züge aus, sagte der VCD-Landesvors­itzende Matthias Lieb am Freitag.

Hermann und Huber jedenfalls erleben eine ganz normale Pendlerfah­rt mit nur einer defekten Toilette. Pünktlich fährt der Zug ein, die Türen gehen auf, einer aus der MinisterMa­nager-Delegation fragt nach draußen: „Ist hier Heilbronn?“– „Ja“, antwortet ein Fahrgast, der zusteigen will. „Heilbronn. Da wo die Frankenbah­n so schlecht fährt.“

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FOTO: DPA Berthold Huber (3. v. l.), Bahnvorsta­nd für Personenve­rkehr, und der Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne/2. v. rechts) unterwegs.

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