Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
SPD setzt auf die Mischung
Neue Minister werden feierlich vorgestellt – Zwei frische und vier bekannte Gesichter
BERLIN - Bei einer Frau kommt die baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier fast ins Schwärmen: Eine „großartige Personalie“sei Franziska Giffey. Die Bezirksbürgermeisterin von BerlinNeukölln ist die wohl größte Überraschung in der SPD-Ministerriege. Sie steht im Blümchenkleid mit weißem Blazer und hohen Absätzen fast schüchtern lächelnd im WillyBrandt-Haus. „Ich weiß nicht, ob Bundesministerin schwieriger ist als Neukölln“, meint ein schmunzelnder Olaf Scholz, der die Ministerinnen vorstellt. Er verweist darauf, dass Neukölln, wäre es eine eigenständige Stadt, mit seinen 300 000 Einwohnern unter die 20 größten Städte Deutschlands fallen würde.
Franziska Giffey ist die Ziehtochter von Heinz Buschkowsky, ihrem legendären Vorgänger. In Neukölln, wo mehrere Schulen unter Wachschutz stehen, weil sonst die Sicherheit der Kinder und vor allem der Lehrer nicht gewährleistet werden kann, wird oft Tacheles geredet.
Für Klartext bekannt
Und genau wie Buschkowsky steht Giffey nicht für eine Verklärung multikulturellen Miteinanders, sondern sie fordert Regeln für ein friedliches Zusammenleben ein. Sie ist eine, die in der SPD für Recht und Ordnung steht. Dass sie jetzt Familienministerin wird, liegt allerdings nicht nur an ihren unbestrittenen Fähigkeiten, sondern auch daran, dass sie in Frankfurt an der Oder geboren wurde, und die ostdeutschen Landesverbände auf einen Repräsentanten pochten. Der Süden geht bei der SPD dagegen wie so oft leer aus. Aber es hat auch niemand mit einem Minister aus BadenWürttemberg oder
Bayern gerechnet.
Feierlich, auf einem runden roten Teppich, stehen an diesem Morgen im WillyBrandt-Haus die designierte neue SPD-Chefin Andrea Nahles und der künftige Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz, um das Kabinett vorzustellen. Wie bei einer Zeugnisausgabe werden sie einzeln zu den beiden Chefs gerufen, als erste Frau kommt Katarina Barley auf die Bühne. Sie hat sich als Familienministerin nach Manuela Schwesigs Wechsel und in den vergangenen Wochen als kommissarische Arbeitsministerin bewährt und soll jetzt Justizministerin werden. Das Rüstzeug bringt die frühere Richterin mit. Die dritte im Bunde, Svenja Schulze, ist im mitgliederstärksten Landesverband Nordrhein-Westfalen gut bekannt, denn dort war sie sieben Jahre lang Wissenschaftsministerin. „Sie hat die Studiengebühren abgeschafft“, darauf weist Scholz stolz hin. In ihrem neuen Amt als Umweltministerin kann sie auf Erfahrungen aus der Zeit aufbauen, als sie noch umweltpolitische Sprecherin ihrer Fraktion war.
Nicht nur bei der Zahl der Minister, auch bei ihrer Vorstellung setzt die SPD auf Gleichberechtigung. Nachdem Scholz die Frauen nach vorne gerufen hat, übernimmt Nahles die Männer. Zu Scholz als neuem Finanzminister muss sie nicht viel sagen – er ist bekannt. „Er hat die Leidenschaft, gut zu regieren“, lobt ihn Nahles. Und sie erinnert daran, dass Scholz in Zeiten der Finanzkrise als Arbeitsminister vielen Menschen die Arbeitslosigkeit erspart habe durch das Instrument der Kurzarbeit. Der Hanseat muss künftig alle SPD-Minister koordinieren.
Mit feierlichem Gesicht tritt dann Heiko Maas, der neue Außenminister nach vorne. „Einem Saarländer muss man nicht erklären, was Europa bedeutet“, so Scholz. Und als Triathlet bringe Maas darüber hinaus die nötige Ausdauer mit. „Er weiß, wie man sich seine Kraft einteilen muss.“
Partner von Natalia Wörner
Einer breiten Öffentlichkeit ist Maas durch die Berichte in den bunten Zeitungen bekannt, er ist der Mann an der Seite der Schauspielerin Natalia Wörner. Dabei tritt Maas selbst eher zurückhaltend auf, ist aber für seine klugen Analysen ebenso bekannt wie für sein ausgleichendes Wesen und seine Fähigkeit, in der Politik über Parteigrenzen hinaus Freundschaften zu pflegen – zum Beispiel mit der früheren Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, deren Stellvertreter er einst in der schwarzroten Koalition an der Saar war.
Das Arbeitsministerium, für die SPD von besonderer Bedeutung, übernimmt Hubertus Heil. Der frühere SPD-Generalsekretär und stellvertretende Fraktionsvorsitzende bringt jahrelange Erfahrung mit. Andrea Nahles lobt ihn überdies als bestens vernetzt und guten Verhandler.
Ein Quiz mit Fragen zur neuen Ministerriege finden Sie unter schwäbische.de/ministerquiz