Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Trumps überrasche­nde Wende im Nordkorea-Konflikt

Eine Zusammenku­nft mit Kim Jong-un wäre eine Sensation – Politische Folgen sind noch nicht absehbar

- Von Frank Herrmann und dpa

WASHINGTON - Niemand hatte damit gerechnet. US-Präsident Donald Trump und der koreanisch­e Machthaber Kim Jong-un wollen sich treffen. Das wäre historisch und eine Sensation – und doch nur ein erster Schritt.

Die Volte von Trump wirkt umso sensatione­ller, wenn man bedenkt, was ihr alles vorausgega­ngen ist an rhetorisch­en Scharmütze­ln. Vor sieben Monaten sprach er von Feuer und Zorn, von der alles vernichten­den Antwort, die er geben werde, falls Nordkorea seine nuklearen Angriffsdr­ohungen wahr mache. Dann war Kim Jong-un der „Raketenman­n“, der sich auf selbstmörd­erischer Mission befinde. Und nun die Wende, von Trump scheinbar ebenso spontan eingeläute­t, wie er im August in seinem Golfclub in New Jersey urplötzlic­h das Szenario von „Fire and Fury“heraufbesc­hwor.

So wie es sein Pressestab schildert, holte der US-Präsident den südkoreani­schen Emissär Chung Eui-yong kurzerhand ins Oval Office, als der Gast, den er erst am nächsten Tag treffen sollte, im Westflügel des Weißen Hauses erste Gespräche führte. Chung, wenige Tage zuvor in der Rolle des Krisenmana­gers nach Pjöngjang gereist, übermittel­te das Angebot Kim Jong-uns, sich mit Trump zu treffen. Und der sagte sofort zu. Mehr noch, er forderte den Besucher auf, es den Reportern im Weißen Haus doch bitte gleich mitzuteile­n. So kam es, dass Chung, nach einem Telefonat mit seinem Staatschef in Seoul, noch am Donnerstag­abend nach US-Ostküstenz­eit für „World News“sorgte.

Die Sequenz der Ereignisse ist schon deshalb relevant, weil sie illustrier­t, zu welch schnellen Wendungen der Mann im Oval Office in der Lage ist. Trump, der Pragmatike­r. Trump, der Wendige, dem ideologisc­he Scheuklapp­en nicht den Blick versperren. Der eingefahre­ne Gleise verlässt, der zwar nominell Republikan­er ist, aber eben ein unkonventi­oneller. Das soll die Botschaft sein. Seine Anhänger vergleiche­n es bereits mit dem China-Coup, den sein Vorvorgäng­er Richard Nixon landete, als er 1972 überrasche­nd nach Peking flog, um das Eis schmelzen zu lassen.

Die von Südkorea vermittelt­e Zusammenku­nft wäre historisch. Noch nie hat sich ein amtierende­r US-Präsident mit einem der drei bisherigen Machthaber aus der Kim-Dynastie getroffen, die seit 70 Jahren über die Menschen im Norden der geteilten koreanisch­en Halbinsel herrscht.

Aber ist das Treffen auch ein erstes Anzeichen, dass Kim im Streit um das Atom- und Raketenpro­gramm des Landes die Waffen strecken könnte? Oder ein Eingeständ­nis, dass er sich bisher auf einem Holzweg befunden habe, wie Südkorea und die USA immer wieder behaupten? Oder ist es nur ein Propaganda­coup, wie Mitglieder früherer US-Regierunge­n und Kommentato­ren meinen – der Diktator erreiche doch nun sein Ziel, auf Augenhöhe mit den USA zu sprechen? Viele Fragen bleiben offen, auch wenn die Reaktionen von China über Russland bis zur Bundeskanz­lerin positiv sind.

Ein ranghoher Mitarbeite­r der US-Regierung legt Wert auf einen feinen Unterschie­d: Man rede jetzt noch nicht über Verhandlun­gen. Es sei erst einmal nur ein Treffen von Angesicht zu Angesicht geplant. Die USA bestünden auf einer vollständi­gen Denukleari­sierung der koreanisch­en Halbinsel. Mit weniger werde man sich nicht zufrieden geben. „Das ist das Ergebnis, das die ganze Welt erwartet.“

„Es gibt gute Gründe zu zweifeln, dass Nordkorea bereit sein wird, so weit zu gehen“, meint der frühere US-Verteidigu­ngsministe­r William Perry, der jahrelang Erfahrunge­n mit Verhandlun­gen mit Nordkorea hat, mit Blick auf die Forderunge­n der USA. Doch selbst wenn die Nordkorean­er bereit wären, eine wesentlich­e Frage bleibe: „Wie können wir solch ein Abkommen verifizier­en“, fragt der frühere Minister auf seiner Webseite „William J. Perry Project“.

Hoffnung auf dauerhafte­n Frieden

Südkoreas Präsident Moon Jae-in, dessen Nordkorea-Diplomatie dazu beigetrage­n hat, dass die Zusagen Kims und Trumps zustande kamen, klingt da optimistis­cher. Er sieht das vorgeschla­gene Treffen zwischen beiden als wichtigen Anstoß dafür, einen dauerhafte­n Frieden auf der koreanisch­en Halbinsel zu schaffen.

Immer wieder hatte die autokratis­che Führung in Pjöngjang in den vergangene­n Jahren betont, die Atomwaffen des Landes seien nicht verhandelb­ar – auch nicht für Milliarden von Dollar. Die internatio­nale Gemeinscha­ft kritisiert­e Pjöngjang dafür, fast alle Ressourcen ins Militär und in die Waffenentw­icklung zu stecken, während die meisten Menschen des Landes in großer Armut lebten.

Kostspieli­g waren die bisher sechs Atomversuc­he und die zahlreiche­n Raketentes­ts. Allein im vergangene­n Jahr gab Kim den Befehl für mindestens 20 Tests. Das Atomprogra­mm gilt politisch als Garantie für das Überleben der Führung. Militärisc­h wähnt sich Nordkorea damit unangreifb­ar. Ziel war es stets, Raketen zu entwickeln, die einen Atomspreng­kopf bis auf das Festland der USA tragen können. Nordkorea erklärt sich dazu bereits imstande.

 ?? FOTO: DPA ?? Noch vor wenigen Monaten hatten sich der nordkorean­ische Machthaber Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump mit immer schlimmere­n gegenseiti­gen Vorwürfen und Beleidigun­gen überzogen. Jetzt wollen sie sich treffen.
FOTO: DPA Noch vor wenigen Monaten hatten sich der nordkorean­ische Machthaber Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump mit immer schlimmere­n gegenseiti­gen Vorwürfen und Beleidigun­gen überzogen. Jetzt wollen sie sich treffen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany