Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Macrons Reformeifer kommt nicht bei allen gut an
Der französische Staatspräsident kann noch keine durchschlagenden Ergebnisse vorweisen – Gesellschaft erwartet Verbesserungen im Alltag
PARIS - Wie Perlen auf einer Schnur reiht der französische Präsident Emmanuel Macron seine Reformen aneinander – und zwar in einem atemberaubenden Tempo. Allein diese Woche ging der französische Staatschef drei Reformmaßnahmen an: die Berufsbildung, das Strafrecht und die Verfassung. „Der Rhythmus ist dicht, und das ist vom Präsidenten genauso gewollt“, sagt Regierungssprecher Benjamin Griveaux zu den Veränderungen im Fließbandtakt. Schließlich wurde der Präsident vergangenes Jahr mit einem Programm gewählt, das eine tiefgreifende Umwandlung Frankreichs ankündigte. Und schon an seinem ersten Arbeitstag machte sich Macron mit der Reform des Arbeitsrechts ans Werk.
Gemischte Gefühle
Die Franzosen sehen den Elan des 40Jährigen mit gemischten Gefühlen. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Elabe sind 51 Prozent der Meinung, dass das Land grundlegend reformiert werden muss – auch wenn es Proteste geben sollte. Fast ebenso viele, nämlich 47 Prozent, erwarten vom Präsidenten, dass er die Gesellschaft befriedet und dafür auch Reformen hintanstellt. „Die Franzosen wollen Ergebnisse. Aber sie haben nicht für diesen Heißhunger auf Reformen gestimmt, die jeden Sinn verloren haben“, kritisiert der frühere Chef der Sozialisten, Jean-Christophe Cambadélis. Schon macht der Vergleich mit Nicolas Sarkozy die Runde, der zu Beginn seiner Amtszeit ebenfalls viel Reformeifer zeigte, ohne seine Maßnahmen dann aber zu Ende zu bringen.
Macrons Problem ist, dass er nach neun Monaten im Amt noch keine durchschlagenden Ergebnisse vorweisen kann. Seine durch Jahrzehnte der Massenarbeitslosigkeit ausgelaugten Landsleute warten ungeduldig darauf, dass sich die Reformen auf ihren Alltag auswirken. Genau das ist aber noch nicht passiert. „Die Franzosen sagen sich: Es gibt mehr Arbeit, die Wirtschaftsindikatoren sind gut, aber mir geht es nicht besser“, sagt Brice Teinturier vom IpsosInstitut der Zeitung „Le Monde“. Kein Wunder also, dass die Popularitätswerte des Staatschefs in zwei Monaten um neun Prozentpunkte absackten.
Opposition liegt am Boden
Macron selbst schert sich wenig um die Umfragen. „Was zählt, ist die Arbeit, die in der Tiefe für das Land geleistet wird“, sagte er vergangene Woche. Die Bedingungen sind günstig für ihn, denn die Opposition liegt noch am Boden. Die Konservativen streiten über ihren künftigen Kurs, der Front National wird von Zweifeln geplagt und der Linksaußen JeanLuc Mélenchon verliert mit Hetzparolen an Glaubwürdigkeit.
Widerstand könnte nur von den Gewerkschaften kommen, die von der Vorgehensweise des Präsidenten enttäuscht sind. „Die Methode Macron besteht darin zu sagen: ,Ihr diskutiert und ich entscheide‘“, bemerkt der Chef der gemäßigten Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, bitter.
Als bestes Beispiel dient ihm die Reform der beruflichen Fortbildung. Rund 15-mal waren Arbeitgeber und Gewerkschaften zusammen gekommen, um ein Abkommen für alle Berufszweige zu finden. Zum Schluss stellte Arbeitsministerin Muriel Pénicaud am Montag ihre eigenen Pläne vor, in denen sich die Positionen der Sozialpartner nur zum Teil wiederfinden. Ähnlich lief es auch bei der Reform des Arbeitsrechts: Nach langen Verhandlungen legte die Regierung die Inhalte fest und überging dabei vor allem die Forderungen der Gewerkschaften. Die Proteste, zu denen die kommunistische CGT damals aufrief, brachten allerdings nur wenige Tausend Menschen auf die Straße.