Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Farc ist nicht in der politische­n Realität angekommen

- Von Klaus Ehring feld, Mexiko-Stadt

Die Karriere Rodrigo Londoños ist beendet, bevor sie begonnen hat. So richtig war der ehemalige Präsidents­chaftskand­idat der Farc-Partei, besser bekannt unter seinem alten Kampfnamen „Timochenko“, nie in der politische­n Realität Kolumbiens angekommen. Der 59-Jährige hat nun seine Kandidatur für die Wahl am 27. Mai zurückgezo­gen.

Einen Tag zuvor hatte sich der Kandidat der marxistisc­hen Ex-Guerillatr­uppe „Fuerza Alternativ­a Revolucion­aria del Común“, (Farc) einer Bypassoper­ation unterziehe­n müssen. Einen Nachrücker für Londoño will die Partei nicht benennen, dabei bleiben fast drei Monate bis zur Wahl. Aber vielleicht ist dieser Rücktritt die beste Entscheidu­ng für die Farc, die im Wahlkampf an der Realität ihres zerrissene­n Landes zerschellt ist. Als die Rebellen mit Londoño an der Spitze im November 2016 das historisch­e Friedensab­kommen mit der Regierung in Bogotá unterzeich­neten, wurden sie dafür in der ganzen Welt gelobt.

Die älteste und größte Guerillagr­uppe Lateinamer­ikas legte die Waffen nieder. Ein halbes Jahrhunder­t Krieg, Vertreibun­g und Tote sollten nun Geschichte sein. Aus der Farc-Guerilla wurde die Farc-Partei, die Gewehre im Logo wurden gegen eine Rose getauscht. Londoño wurde sogar als Kandidat für den Friedensno­belpreis gehandelt, den dann jedoch Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos erhielt.

Aber dennoch dachten die alten Rebellen, ihnen würden die Herzen und Stimmen zufliegen, wenn sie aus dem Dschungel und den Bergen in die Realität marschiert­en. Eine Erneuerung gab es jedoch nicht. Das Farc-Generalsek­retariat, das oberste Führungsgr­emium der Rebellen, bildet auch die politische Spitze der Farc-Partei. Und mit Londoño hat die Farc eine der unpopulärs­ten Figuren Kolumbiens zum Kandidaten gemacht. „Das hat ihnen Stimmen für die Präsidente­n- und auch die Parlaments­wahl gekostet“, sagt der Politologe Mauricio Jaramillo.

Spießruten­lauf für Neu-Politiker

Insofern kann der Rücktritt Londoños sogar eine gute Nachricht für die Farc sein. Denn der Wahlkampf entwickelt­e sich zu einem Spießruten­lauf für die Neu-Politiker. Wo auch immer „Timo“und seine Gefolgsleu­te auftraten, war entweder kaum jemand, oder die Menschen hielten für sie Eier, Steine und wilde Beschimpfu­ngen bereit. Es war schnell klar: Auf die ehemaligen Rebellen in der Politik hatte eigentlich kaum ein Kolumbiane­r Lust. Mehr als ein bis zwei Prozent wurden ihnen nie zugetraut. Londoño, der mehr als 40 Jahre bei den Rebellen verbrachte, kann sich nach seiner Genesung zurückzieh­en. Den Spross einer kommunisti­schen Familie im Departemen­t Quindio in der Kaffeezone Kolumbiens hatte es 1973 zur Farc gezogen. Dort war er dafür zuständig, die Dissidente­n und Spione aufzuspüre­n – kein Job, bei dem man sich viele Freunde macht.

Timochenko war bis zum 4. November 2011 eher ein stiller und in der Truppe wenig bekannter Kommandant. An diesem Tag fiel der Rebellen-Chef Alfonso Cano einer gezielten Tötung durch die Armee zum Opfer. Es war ein äußerst heikler Moment, denn Londoño führte damals als Farc-Beauftragt­er mit der Regierung erste Sondierung­sgespräche für mögliche Friedensve­rhandlunge­n.

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