Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Spannendes Nebeneinander
Atemlose Zuhörer beim Münchener Kammerorchester und dem Solisten Augustin Hadelich
RAVENSBURG - Atemlose Stille herrschte am Mittwochabend im Konzerthaus beim Konzert des Münchener Kammerorchesters, und das nicht allein bei den beiden exzellent gespielten Mozart-Sinfonien, sondern ganz besonders beim Violinkonzert „Concentric Paths“des britischen Komponisten Thomas Adès. Ein Erlebnis war das Violinkonzert selbst wie sein kongenialer Interpret Augustin Hadelich.
Es gehört zum Profil der Münchener und ihres jungen Chefdirigenten Clemens Schuldt, dass sie bewusst klassische Werke und Musik der Gegenwart zusammenführen, dass sie so die eher traditionell orientierten Konzertbesucher mit Musik konfrontieren, die sie wohl nicht unbedingt auswählen würden. Wie hier wieder zu erleben war, würde einem viel entgehen.
Eine letzte wortlose Verständigung mit der Konzertmeisterin und Hadelich erdet sich fest mit beiden Beinen zwischen ihr und dem Dirigenten. Für ihn ist Adès‘ Werk das bedeutendste Violinkonzert seit Ligeti und ihm umso wertvoller, als er mit dem Komponisten zusammen am Gestaltungsprinzip, an den Strukturen arbeiten konnte. Rasch nimmt einen das Spiel gefangen. Soghaft zieht es einen mit seinen kreisenden Mustern hinein in eine fremde, ferne Welt, besonders im emotionalen Mittelteil, der nach quälenden Einwürfen vorstößt in eine erlösende Seligkeit, eine ätherische Stimmung des Friedens, und sich mit tiefem Ausschwingen wieder in sich zurückzieht.
Im dritten Teil dagegen, „Rounds“genannt, wird das Geigensolo über dem rhythmischen Klangteppich des Orchesters zum dynamischen Tanz, und es ist eine Freude zu sehen, wie der Dirigent mit präzisen Gesten das Klanggebilde zusammenhält, wie er die Instrumente miteinander verschmelzen lässt. Dann ein völliger Stimmungswechsel: Der Solist verabschiedet sich lächelnd mit der 21. Caprice von Paganini, einem puren Schwelgen in Schönklang. Im Frühjahr erscheint seine Kompletteinspielung der 24 Capricen – man sollte sie sich vormerken.
Und wieder ein radikaler Wechsel zur „Voyage into the Golden Screen“, zur „Reise in den goldenen Schirm“des dänischen Komponisten Per Nørgård. Eine wesentlich sprödere Klangerfahrung mit der Unendlichkeitsreihe, einer Wachstumsreihe, die aus Melodielinien Klanggeflechte entstehen lässt, die sich verdichten, näher kommen und sich entfernen, beben und verebben.
Welch ein Kontrast zu der einführenden und der abschließenden Mozart-Sinfonie! Mit ansteckendem Elan hatte Clemens Schuldt sein Orchester hineingeführt in die Sinfonie Nr. 34 C-Dur KV 338, den Musikern das anmutige Spiel geradezu vorgetänzelt. Fein ziselierte er das anmutige Andante, in fröhlichem Wettstreit zog zuletzt das sprühende Allegro vivace vorüber.