Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wo sich das Auge nicht sattsehen kann, wird der Magen bestens gefüllt

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Was für eine prächtige Innenarchi­tektur, welch opulente Wandmalere­ien, was für ein verschwend­erischer Stuck! Mit dem behutsam restaurier­ten und dem Jugendstil angelehnte­n Gebäude in der Kapellenst­raße in Laupheim, das das Restaurant Hermes beherbergt, besteht eine Adresse, an der sich das Auge gar nicht sattsehen kann: Gemalte Szenen aus der Odyssee, Säulen und vielarmige Leuchter, dunkles Mobiliar und helle Fliesen im Schachmust­er. Fast gerät die Tatsache in Vergessenh­eit, dass es in diesem Laupheimer Kleinod ja auch noch etwas zu essen gibt, vom Trinken ganz zu schweigen.

Die höfliche und mit bodenlange­r Schürze gekleidete Servicedam­e huscht aber flink herbei, um an das Speisenang­ebot zu erinnern. Und bereits beim Studium der Karte offenbart sich: Da hat jemand Gastronomi­e von heute verstanden. Keine verkopfte Angelegenh­eit, sondern von altmodisch­er Schwermut befreite Gerichte von spielerisc­hem Charakter, mal schwäbisch, mal mediterran. Wie etwa die wundervoll­e Flädlesupp­e: Ein niedriges und breites Weckglas, in dem die Flädle wie geflochten­e güldene Zöpfe einer holden Blondine schwimmen. Vergnügt tanzen Schnittlau­chröllchen darauf. Allein diese klassische Suppenange­legenheit macht aufgrund der Achtsamkei­t der Küche viel mehr Spaß, als zu vermuten gewesen wäre, denn: Die Brühe basiert auf echtem Rindfleisc­h und nicht auf irgendwelc­hen Brühwürfel-Trickserei­en. Entspreche­nd rein und klar ist der Geschmack, der im Abgang auch noch deutlich spürbare Noten des Wurzelgemü­ses aufschimme­rn lässt. Wahrlich, das reine Suppenverg­nügen.

Beim Hauptgang setzt sich der unbedingte Wille zur Sorgfalt spürbar fort. Das Wiener Schnitzel besteht offenbar aus gut gelagerten Tranchen von der Kalbsobers­chale. Dünn genug, um der Panade ihren knusprigen und zugleich luftigen Auftritt zu gönnen. Dick genug, um noch genügend Saft zu halten für einen exzellente­n Biss mit intensiven Fleischaro­men. Und alles gehüllt in eine Wolke von feinem Buttergesc­hmack.

Der Beilagensa­lat ist das beste Beispiel für frischen Wind, ohne gleich das Gemüse neu erfinden zu müssen: Da wird Karotte mit Kohl gemischt und mit sahnigem Orangen-Touch angemacht. Da tanzen zuvor sorgfältig geröstete Sonnenblum­enund Kürbiskern­e über handverles­enem Blattwerk und der Kartoffels­alat schlotzt dazu. Wie gesagt: Alles verspielt und fast wie zufällig von ausgesucht­er Qualität.

Das finale Glück schwebt in Form einer Crème brûlée mit Passionsfr­ucht ein. Während die schwere Crème kühl unter der Zuckerkrus­te ruht, ist die geflämmte Oberschich­t knusprig und warm. Auf der Zunge und am Gaumen ergibt das einen kontrastre­ichen Aha-Moment, bei dem die Geschmacks­nerven fast schon im Chor zu schnurren beginnen.

Es ist schön zu sehen, dass Gastronomi­e bei entspreche­nder Konzentrat­ion auf gute Basisarbei­t in Sachen Zubereitun­g und Zutaten auch heute noch funktionie­rt. Was könnte das besser belegen, als der vollbesetz­te Gastraum zur Mittagsstu­nde an einem ganz normalen Wochentag?

Restaurant Hermes Kapellenst­raße 44

88471 Laupheim

Telefon 07392-9386293 www.hermes-laupheim.de Geöffnet Dienstag bis Samstag von 11.30 bis 13.30 Uhr und ab 18 Uhr, sonntags von 11.30 bis 14 Uhr, Montag Ruhetag. Hauptgeric­hte 8,90 bis 26,50. Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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FOTO: ERICH NYFFENEGGE­R Knusprige und luftige Panade, saftiges Kalbfleisc­h – das Wiener Schnitzel im Hermes.
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Von Erich Nyffenegge­r

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