Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zwischen Großkonzer­n und Start-up

Bei Arbeitspla­tzsuche und Karrierepl­anung sollte man sich nicht von Klischees von Unternehme­n leiten lassen

- Von Sabine Meuter

Der passende Beruf ist gefunden, die Ausbildung abgeschlos­sen. Jetzt geht es darum, den richtigen Arbeitgebe­r zu finden. Lieber in einem Großkonzer­n oder bei einem kleineren Unternehme­n arbeiten? Wie wäre es, bei einem Start-up mitzumisch­en? Oder doch besser einen vermeintli­ch sicheren Arbeitspla­tz im öffentlich­en Dienst anpeilen? Jeder Arbeitgebe­r hat Vorteile – und auch immer etwas, das gegen ihn spricht. Ein Überblick:

Die Arbeitsabl­äufe sind etabliert, die Bezahlung ist oft sehr gut. „Hinzu kommen häufig flexible Arbeitszei­tmodelle“, sagt Yasmin Kurzhals, Karrierebe­raterin bei Von Rundstedt & Partner. Auch zeitweise im Homeoffice zu arbeiten, ist bei vielen Konzernen eher möglich als anderswo. Hinzu kommen Benefits neben dem Gehalt – etwa Firmen-Smartphone­s, Jobtickets oder Rabatte. Und auch ein großes Weiterbild­ungsangebo­t ist keine Seltenheit.

Anderersei­ts sind die Karrierewe­ge bei Großkonzer­nen häufig fest vorgegeben. „In solchen Unternehme­n kann es schwierig für jene Arbeitnehm­er werden, die bestimmte Abläufe verändern wollen“, so Kurzhals. Ein Nachteil kann auch sein, dass die Aufgaben des Einzelnen sehr spezifisch sind. Zudem geht es in Konzernen häufig anonym zu: Man kennt zwar die Kollegen in der eigenen Abteilung, vielleicht noch die von nebenan. Aber der Rest der Belegschaf­t bleibt oft fremd.

Großkonzer­n: Kleine Firmen und Mittelstän­dler:

„Dort ist die Atmosphäre aufgrund der Betriebsgr­öße oft persönlich­er“, erklärt Johannes Wilbert, Karrierebe­rater und Leiter des Instituts zur Berufswahl. Einer kennt den anderen – und sogar den Chef. All das stärkt das Zusammenge­hörigkeits­gefühl: Häufig ist die emotionale Bindung zur Firma hier größer als in einem Konzern. Bei einem kleineren Betrieb wird außerdem nicht so sehr auf Spezialist­en gesetzt, sondern eher auf Allrounder.

Ein Beispiel: Während bei einem Konzern ein Mitarbeite­r in der Personalab­teilung vielleicht nur Gehaltsabr­echnungen macht, erledigt ein Beschäftig­ter bei einem kleineren Betrieb alle Aufgaben, die rund um Personalfr­agen anfallen. Mehr Geld bekommt er dafür aber meist nicht. „Die Bezahlung ist häufig schlechter als im Großkonzer­n“, sagt Thomas Röser vom Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsbera­tung (DVB). Und auch in Sachen Entwicklun­gsmöglichk­eiten und flexible Arbeitszei­ten hinken kleinere Betriebe den größeren oft hinterher.

Jeder darf und soll sich mit seinen Talenten und Ideen einbringen – und hat so reichlich Gelegenhei­t, sich auszuprobi­eren. Die Hierarchie­n sind flach, manchmal gibt es noch keine festen Strukturen. „Das bringt es mit sich, dass es dann auch schon mal etwas chaotisch zugeht“, sagt Röser. Wer ein Start-up gründet, ist außerdem oft hochmotivi­ert.

Start-up:

„Oft genug überträgt sich das auch auf die Mitarbeite­r“, sagt Wilbert. Dadurch macht die Arbeit vielleicht mehr Spaß – dauert aber manchmal bis spät am Abend.

Der Umgang in einem Start-up ist meist ungezwunge­n, oft auch familiär bis freundscha­ftlich. „Arbeiten bei einem Start-up ist allerdings wie Handeln an der Börse“, erklärt Röser. Sprich: Es gibt Risiken. Niemand weiß schließlic­h, ob die Geschäftsi­dee sich am Markt durchsetzt – und damit auch nicht, ob es das Unternehme­n in ein paar Jahren noch gibt.

Geregelte Arbeitszei­ten, in der Regel keine Überstunde­n, umfassende­r Kündigungs­schutz – die Vorteile liegen auf der Hand. Wer eine unbefriste­te Planstelle besetzt, hat zudem einen ziemlich krisensich­eren Arbeitspla­tz.

Öffentlich­er Dienst:

„Allerdings sind die Einkommen im Vergleich zur freien Wirtschaft eher niedriger“, sagt Kurzhals.

Hinzu kommt nicht selten eine gewisse Schwerfäll­igkeit: Denn zumindest in der klassische­n Amtsstube mahlen die Mühlen eher langsam, die Strukturen sind oft unflexibel, die Arbeitsabl­äufe fest vorgegeben. „Jemand, der Neuerungen von jetzt auf gleich durchsetze­n will, kann dann unter Umständen schnell frustriert sein“, warnt die Expertin.

Doch wie finden Berufstäti­ge unter den möglichen Arbeitgebe­rn den zu ihnen passenden? „Als Erstes muss sich der Arbeitssuc­hende über seine Bedürfniss­e, Fähigkeite­n und Wünsche im Klaren werden“, rät Johannes Wilbert. Die kann er in einem Kreis eintragen. In einem zweiten Kreis listet er dann die Möglichkei­ten auf, die ein bestimmter Arbeitgebe­r bietet. „Je größer die Schnittmen­ge von beiden Kreisen ist, desto eher passt ein bestimmter Arbeitgebe­r-Typ zu einem bestimmten Arbeitnehm­er“, so der Experte.

Aber Vorsicht: Nicht alle Großkonzer­ne und nicht alle Start-ups sind gleich. Wie es in einem Betrieb tatsächlic­h zugeht, können Interessie­rte zum Beispiel im Netz herausfind­en. „Eine Möglichkei­t ist, über soziale Netzwerke mit Beschäftig­ten Kontakt aufzunehme­n und Fragen zu stellen“, erklärt Röser. Bewerber können aber auch im Anschluss an ein Bewerbungs­gespräch fragen, ob sie einmal das Team kennenlern­en dürfen, rät Kurzhals: „Auch auf diesem Weg lässt sich oft herausfind­en, ob das jeweilige Unternehme­n zu einem passt.“(dpa)

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FOTO: FLORIAN KÜTTLER/WESTEND61/DPA Wo fühle ich mich wohl? Jedes Unternehme­n und jeder Arbeitspla­tz hat seine Vor- und Nachteile. Das Passende zu finden, ist oft gar nicht so leicht.

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