Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Großer Auftritt für Cross-over

Latin-Jazz Sinfónica! zu Gast im Konzerthau­s

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - So komplett bis auf den letzten Platz besetzt war die Bühne des Konzerthau­ses tatsächlic­h noch nie. Aber Latin-Jazz Sinfónica!, ein Sinfonieor­chester mit Streichern, Blech- und Holzbläser­n plus einer Jazzcombo mit vierfacher Perkussion, Keyboard, Kontrabass, Gitarren und zwei Marimbapho­nen braucht eben seinen Raum. Zumal dann, wenn aus akustische­n Gründen die Klangberei­che durch transparen­te Stellwände voneinande­r getrennt sind. Selbst der Podest des Dirigenten Andreas Schulz war mit Plexiglas abgeschran­kt – ein Eindruck zwischen Spiegelkab­inett und Aquarium, vor allem wenn die Strahler zum Blau wechselten.

Um solch ein Mammutproj­ekt zu stemmen, ist ziemlich viel Soundcheck nötig und immens viel Vorbereitu­ng. Ravensburg war im Übrigen die vorletzte Station auf der Tournee durch acht deutsche Städte, sieben davon in Baden-Württember­g. Das Projekt ist eine Teamarbeit des russisch-deutschen Pianisten und Dirigenten Andreas Schulz mit der LatinPerku­ssionistin Julia Diederich, die nicht nur im Ensemble Neue Philharmon­ie Berlin mitspielt und selbst Stücke schreibt, sondern als die „Seele des Projekts“vor allem einen großen Teil der Organisati­on der Tournee übernahm.

Von ihr kam die Idee oder besser der „musikalisc­he Wunsch“nach einer Verbindung von Latin-Jazz mit einem Sinfonieor­chester, mit der sie Andreas Schulz begeistert­e. Die launige Moderation mit vielen Querverwei­sen zu den Stücken übernahm Rainer Lenz, der erst ganz zum Schluss seine super Jazzstimme in einer rasanten Zugabe vorführte.

Die Stücke – Jazzstanda­rds von Stan Getz oder dem Kubaner Paquito D'Rivera, von Arturo Sandoval, dem Filmkompon­isten Dave Grusin oder dem Gitarriste­n Pat Metheny – sind zum größten Teil Arrangemen­ts des „Special guest“Christoph König, einem virtuosen Jazzgeiger. Echte Cross-over-Stücke, die zwischen kubanische­n, spanisch-lateinamer­ikanischen Rhythmen, orientalis­chem Touch, Big Band, Streichers­ound und softem Jazz oszilliere­n - so wie „Friday Morning“, „Cuban Sugar“, „Sonnet for Caesar“oder „Minuano Six Eight“. Aber auch andere wie Pat Methenys „Heat of the Day“oder „Little Waltz in 5“sind atmosphäri­sch starke Stücke.

Urstück ist der Bolero

„Vioxx“, „Lupo“und „Skyflight to the Light“, Eigenkompo­sitionen von Julia Diederich, haben einen träumerisc­h-versponnen­en Charakter, in dem die Perkussion nie auftrumpft.

Das Urstück des Projektens­embles ist der „Bolero – Canciones de amor y desamor“, der in seiner Sentimenta­lität stark an die Filmmusik aus „Der letzte Tango“erinnert. Im letzten Stück „To Brenda“kam auch endlich der brasiliani­sche Musikbogen Berimbao – mit einer glänzend lackierten Kalebasse als Klangkörpe­r – zum Einsatz. Wie wenig es braucht, um einen charakters­tarken Ton zu erzeugen, konnte man an diesem fasziniere­nd einfachen Instrument erleben. Großer herzlicher Beifall und stehende Ovationen – noch vor der Zugabe, für zwei Stunden großen Sound: Was will man mehr?

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FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Mit 65 Musikern und noch mehr Instrument­en und Material war die Bühne des Konzerthau­ses bis in die Seitenloge hinein gefüllt: „Latin-Jazz Sinfónica“heißt das Projekt, das der Dirigent Andreas Schulz zusammen mit der Percussion­istin Julia Diederich (l....

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