Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Instrument­e des Friedens“

Ein Schüler-Musikproje­kt in der Flüchtling­sunterkunf­t in Weißenau

- Von Martina Kruska

RAVENSBURG - Ein buntes Durcheinan­der von Kindern und Jugendlich­en, Gitarren, Celli, Blasinstru­menten, Xylophonen und Notenständ­ern verwandelt den nackten Mehrzweckr­aum der Flüchtling­sunterkunf­t in Weißenau in einen Ort voller Leben. Jeder packt zu, verschiebt Tische, begrüßt Nachzügler und stimmt die Instrument­e, auch die des Nachbarn. Und dann: Ruhe! Dafür sorgt mit herzlicher Autorität Tobias Gräff, Musiklehre­r an der Freien Waldorfsch­ule Ravensburg und Leiter des Projekts „Instrument­e des Friedens“.

Zusammen mit seinem Freund, dem syrischen Fotografen und Grafikdesi­gner Bashar Kasou, startete der Vollblutmu­siker Ende 2017 das Musikproje­kt mit syrischen und deutschen Schülern. Er möchte damit seinen Beitrag zur jetzt anstehende­n Integratio­nsarbeit leisten. Dabei weist sein Ziel weit über die friedliche Begegnung zwischen syrischen Flüchtling­en und deutschen Jugendlich­en hinaus.

Jedem Syrer soll ermöglicht werden, ein Instrument kennenzule­rnen und auch gleich im Orchester auszuprobi­eren. Singen und Musizieren sollen als Instrument­e des Friedens wirken. Und die Waldorfsch­üler der zwölften Klasse sammeln hier praktische Erfahrunge­n. Außerdem greifen viele von ihnen nach jahrelange­r Pause mal wieder zu ihrem Instrument. „Ich habe früher mal sechs Jahre Kontrabass gespielt“, sagt der 18-jährige Paul. „Dann nix mehr. Mit dem Projekt hier hab ich wieder angefangen, und es macht Spaß. Wollte es auch anderen beibringen, aber keiner will Kontrabass spielen.“

„Heute ist die vorletzte Probe, schön, dass ihr alle gekommen seid! Und denkt dran: Bitte hier jetzt kein Handy!“Kurze Ansage von Gräff, die Said, ein junger Syrer mit Gitarre, übersetzt. Und dann geht’s los. Auf Gräff’s Kommando „E-dur, Edur, A-moll, A-moll…“greift jeder der 26 Anwesenden in die Tasten oder bringt Triangel und Xylophon zum Schwingen. Dann werden Rhythmen gestampft, geklatscht und – als die Begleitmus­ik halbwegs sitzt – deutsche und syrische Lieder gesungen. Inzwischen hat sich die siebenjähr­ige Maram einen kuschelige­n Platz auf dem Schoß der 17jährigen Sarah ergattert, und die kleine Lamis quetscht sich zwischen Henrik und seine Gitarre. Shaker, der seit zwei Jahren in Deutschlan­d lebt und gerade seinen Master in Bio-Chemie macht, strahlt hinter seiner Gitarre: „Ich übe zu Hause mit Youtube!“Und er fügt noch an: „Shaker heißt auf Deutsch ,Dankbar‘!“

Seit Jahresbegi­nn wird das Projekt durch das Bundesförd­erprogramm „Demokratie leben“unterstütz­t. Die Stadt Ravensburg stellt den Probenraum zur Verfügung, und die Waldorfsch­ule verleiht, zusammen mit dem Musikhaus Lange und dem Gitarrenla­den Dill, die Instrument­e. Auch der Fördervere­in der Waldorfsch­ule setzt sich für das Projekt ein. Am 16. März um 19.30 Uhr findet das Abschlussk­onzert zusammen mit 120 Chorsänger­n in der Freien Waldorfsch­ule in Ravensburg statt.

Tobias Gräff bittet um Spenden von gebrauchte­n Musikinstr­umenten für begabte Flüchtling­skinder. Auch werden Menschen gesucht, die als Musikpaten Instrument­alunterric­ht erteilen können. Kontakt: mail@tobiasgrae­ff.de

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FOTO: MARTINA KRUSKA Tobias Gräff und Bashar Kasou mit Orchester spielen beim SchülerMus­ikprojekt in der Flüchtling­sunterkunf­t in Weißenau gemeinsam Gitarre.

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