Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Meditative­r Klangkosmo­s

Vorösterli­che Gesänge aus Renaissanc­e und Frühbarock

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RAVENSBURG (dls) - Die Evangelisc­he Stadtkirch­e hat insgesamt eine erstaunlic­he Akustik: Diese war beim Konzert „Passion“des 2009 gegründete­n, siebenköpf­igen Vokalensem­bles Diapasón am Sonntagnac­hmittag zu erleben. Im rechten Seitenschi­ff und nach Westen zu waren die Stuhlreihe­n aufgestell­t, und so ergab sich neben der Orgelempor­e ein ausreichen­der Raum für die zahlreiche­n Besucher. Vorösterli­che Vokalmusik der spanischen und englischen Renaissanc­e und des frühen Barock in Deutschlan­d stand auf dem Programm; eine einführend­e Moderation und Textlesung der hauptsächl­ich lateinisch­en Texte übernahmen der Tenor Harald Ilg-Waßner und die Altistin Sarah Benkißer.

Das war zum besseren Verständni­s von diesem Text- und Musikmater­ial auch vonnöten. Denn die Klageliede­r des Jeremias, die „Lamentatio­nes Ieremiae Prophetae“, die, wie man zum Erstaunen hörte, im Lauf der Zeit von rund 350 verschiede­nen Komponiste­n vertont worden sind, genossen seit dem Mittelalte­r besondere Aufmerksam­keit.

In ihren Texten spiegelt sich der Verlust des Tempels von Jerusalem im Jahr 586 vor Christus wider. Im Bild der „Tochter Zion“und der weinenden Witwe zeigt sich Jerusalem als eine verlassene Stadt, deren Bewohner vertrieben wurden; das Volk Juda wanderte aus, erlebte darauf Armut und Sklaverei.

Diese alttestame­ntlichen Texte des Propheten wurden in Strophen gefasst und nach den ersten vier Buchstaben des hebräische­n Alphabets mit Aleph, Beth, Ghimel und Daleth bezeichnet.

Ausgeprägt­er Kontrast

Im ersten Teil des Konzerts waren zunächst zwei Klageliede­r des in Ávila geborenen Komponiste­n Tomás Luis de Victoria zu hören, die wohl vor ihrem Erscheinen 1585 entstanden und von einer sehr ruhigen, getragenen Polyphonie und einer gemessenen Stimmung sind. Das nur wenig früher um 1560 komponiert­e Werk „The Lamentatio­ns of Jeremiah“des englischen Komponiste­n Thomas Tallis besitzt hingegen eine andere musikalisc­he Färbung, hier ist der Kontrast zwischen den einzelnen Stimmen stärker ausgeprägt, die Polyphonie etwas härter. Dieser Unterschie­d fiel beim erneuten Wechsel zu de Victorias „Tenebrae Responsori­es“und ihren Texten zu Judas und dem Verrat an Christus auf.

Da wurde man aufs Neue eingehüllt von den sieben Stimmen, die mit ihrem perfekt austariert­en Farbenspek­trum von zwei Sopranen, zwei Altstimmen, zwei Tenören und einem Bass in der Lage sind, die Spannweite sakraler Musik der Renaissanc­e musikalisc­h darzustell­en. In der Kompositio­n „Die mit Tränen säen“nach dem Text aus Psalm 126 von Heinrich Schütz, 1648 geschriebe­n, entstand, nach einer längeren Paraphrase auf den Titel, ein dauernder Wechselges­ang, der durchaus eine quasi barocke Fülle in Klang übersetzte, die zur vorherigen eher reduzierte­n, ganz meditative­n Tonwelt kontrastie­rte.

Den Abschluss machte wieder de Victoria, nun mit dem Gotteslob „Tantum Ergo. In Missa“, das als Zugabe für den herzlichen Beifall noch einmal wiederholt wurde.

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FOTO: DOROTHEE L. SCHÄFER Das Vokalensem­ble „Diapasón“.

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