Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Die Bürokratie macht Projekte kaputt“

Argenbühle­r Einzelhänd­ler Roland Kempter sorgt sich wegen vermehrter Auflagen für Kaufleute

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ARGENBÜHL (mag) - Eigentlich hatte Familie Kempter den Plan, in Eglofs einen Supermarkt zu eröffnen. Doch dieser Plan ist erst einmal auf Eis gelegt. Denn bürokratis­che Auflagen nehmen gerade viel Zeit, Energie und auch Geld in Anspruch, erklärt Roland Kempter, Inhaber der gleichnami­gen Argenbühle­r Einkaufslä­den.

„Wir haben Eglofs schon lange im Auge“, erklärt Kempter. Vor etwa einem Jahr sei er an die Gemeinde herangetre­ten und habe die Eröffnung einer Filiale vorgeschla­gen. Möglich sei ein kleiner Supermarkt auf dem ehemaligen Seitz-Gelände in Eglofs’ Dorfmitte. Die Gemeinde stehe hinter dieser Idee, sagt Kempter. „Es wäre doch eine Tragödie, wenn Eglofs keinen eigenen Laden hätte. Sie haben eine Schule, ein Hotel, ein Baugebiet, aber noch keinen Laden.“Das Dorf könne aufblühen.

Doch die Umsetzung einer ganz bestimmten Auflage hindert den Einzelhänd­ler gerade daran, den Plan in die Tat umzusetzen. Die Rede ist von der sogenannte­n „GoBD“, einer Auflage für elektronis­che Kassensyst­eme, die unter anderem vorgibt, dass alle Vorgänge an einem Ort und für zehn Jahre gespeicher­t werden müssen (siehe Kasten). Der Prozess sei ihm natürlich schon länger bekannt. Aber: „Ich habe den Aufwand total unterschät­zt“, sagt Kempter. Es sei ja grundsätzl­ich richtig, jeden Bargeldvor­gang transparen­t darzustell­en. Doch jetzt alle Kassensyst­eme umzurüsten, alle Belege zu archiviere­n und die Vorgänge zu digitalisi­eren – das sei ein Aufwand, der nicht im Verhältnis zum Nutzen stehe. „Ich bin doch ein Bäckermeis­ter und kein IT-Experte. Aber das wird einfach verlangt.“

Besonders kleine Einzelhänd­ler würden diese Umstellung und die damit verbundene­n Investitio­nen hart treffen, so der Kaufmann: „Unsere Waagen in Christazho­fen müssen wir komplett ersetzen. Das kostet uns 20 000 Euro.“Komplizier­t sei die Umstellung bei ihm im Speziellen vor allem, da die Supermärkt­e in Eisenharz, Ratzenried und Christazho­fen eine ganz besondere Struktur hätten. Nicht Metzgerei, nicht Bäckerei, nicht Café oder Einkaufsla­den, sondern von allem etwas in einem System. Größere Supermärkt­e hätten etwa Bäckereifl­ächen verpachtet, die separat gebucht werden. In Argenbühl sei das aber anders, erklärt Kempter: „Bei uns gibt es einen Kassenpunk­t, an dem alles abgerechne­t wird.“

Der Druck sei im Moment groß, die Stimmung vergiftet, sagt Kempter: „Es ist das erste Mal in meiner kaufmännis­chen Laufbahn, dass ich Angst habe. Man gerät unter einen Generalver­dacht, etwas absichtlic­h falsch zu machen.“Denn: Seit dem 1. Januar 2018 müssen Unternehme­n vermehrt mit unangekünd­igten Betriebspr­üfungen rechnen, deshalb rückt das Thema nun in den Fokus, auch wenn die Regelung an sich nicht neu ist. Das bestätigt auch Christina Palm, Bereichsle­iterin Recht und Steuern bei der IHK Bodensee-Oberschwab­en. Mehrere Unternehme­n hätten sich bei der IHK schon gemeldet und über Probleme bei der Umsetzung der GoBD geklagt.

„Die Praxis hat gezeigt, dass die Anwendung der GoBD vom November 2014 erhebliche Schwächen aufweist und deshalb fordert die IHKOrganis­ation hier eine Anpassung“, erklärt Palm. „Die Grundsätze, die die Finanzverw­altung aufgestell­t hat, sollen ja eine wichtige Orientieru­ngshilfe darstellen, wenn es um die praktische Umsetzung einer ordnungsge­mäßen, IT-gestützten Buchhaltun­g geht und für mehr Steuergere­chtigkeit sorgen.“Fakt sei aber, dass insbesonde­re kleinere Unternehme­n mit bürokratis­chen und finanziell­en Mehrbelast­ungen konfrontie­rt seien, die aus der Sicht der IHK in keinem Verhältnis zum eigentlich­en Zweck der Regelungen stehen, nämlich der Ermittlung der zu zahlenden Steuern. „Die betrieblic­he Praxis hat vielmehr gezeigt, dass derzeit der Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit nicht gewahrt wird“, erklärt Palm.

Die IHK-Organisati­on hat – mit anderen Wirtschaft­sverbänden – ein Schreiben an das Bundesfina­nzminister­ium geschickt, das konkrete Verbesseru­ngsvorschl­äge enthält. „Die GoBD müssen vereinfach­t und verständli­cher werden, um so die Rechtssich­erheit zu verbessern, Bürokratie abzubauen und die Digitalisi­erung zu fördern“, sagt Rechts- und Steuerexpe­rtin Palm. „Wir hoffen auf eine Überarbeit­ung des Regelwerks, die auf eindeutige Formulieru­ngen und verständli­che Erläuterun­gen abzielt, auf die Unternehme­nsrealität zugeschnit­ten ist und keine übertriebe­nen Hürden schafft.“

Bodensee-Oberschwab­en besonders betroffen

Die Region Bodensee-Oberschwab­en sei mit ihren vielen kleinen und mittleren Betrieben besonders betroffen. Darum biete die IHK seit längerem Infoverans­taltungen für Einzelhänd­ler und Gastronome­n sowie Hilfestell­ungen auf der Website an.

Noch im März geht es für Roland Kempter in den Supermärkt­en weiter mit der Umstellung, denn die neuen Kassen für Christazho­fen werden eingebaut. Wann er eine weitere Filiale in Eglofs in Angriff nehmen kann, das ist zur Zeit noch komplett offen, sagt der Einzelhänd­ler: „Die Bürokratie macht Projekte kaputt.“Aber immerhin eines erleichter­e die Umstellung ein wenig: In allen Dörfern in Argenbühl gibt es mittlerwei­le eine funktionie­rende Internetve­rsorgung.

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