Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Falsche Polizei: Logistiker muss ins Gefängnis
Schöffengericht in Tettnang verurteilt Mittelsmann einer Betrügerbande zu Freiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten
FRIEDRICHSHAFEN - Wegen gewerbsund bandenmäßigen Betrugs hat das Schöffengericht am Amtsgericht Tettnang einen 28-jährigen Mann aus Bremen zu einer Freiheitstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Richter und Schöffen sahen es als erwiesen an, dass es sich bei dem Angeklagten um den Mittelsmann einer international, von der Türkei aus agierenden Betrügerbande handelt, die mit dem Polizistentrick vornehmlich ältere Menschen in ganz Deutschland um ihre Ersparnisse gebracht hat. Angeklagt und verurteilt wurde er allerdings nur für einen konkreten, letztlich gescheiterten Betrugsversuch.
Ende vergangenen Jahres hatte das Schöffengericht bereits zwei Männer zu Bewährungsstrafen verurteilt, die von der Betrügerbande als Geldabholer engagiert worden waren. Die Polizei hatte sie auf frischer Tat ertappt, als sie bei einer 94-jährigen Frau in Friedrichshafen 100 000 Euro abholen wollten.
In den Wochen zuvor hatte die Frau Mitgliedern der Bande, die sich als Polizisten ausgegeben hatten, bereits einmal 25000 und einmal 100 000 Euro ausgehändigt. Eine konkrete Beteiligung an diesen beiden Fällen konnte allerdings weder den beiden Geldabholern, noch dem jetzt Angeklagten nachgewiesen werden.
Zeuge bleibt schweigsam
Im gescheiterten dritten Versuch allerdings reichte Richter und Schöffen die Beweislage aus, um den Mann zu verurteilen. Er soll die Geldabholer beauftragt haben. So hatte es jedenfalls einer der beiden Abholer berichtet – sowohl bei der Polizei, als auch nun als Zeuge vor Gericht. Der andere Abholer bestätigte dessen Aussagen in seinem eigenen Verfahren über eine Erklärung seines Verteidigers erst dann, als er die Chance sah, dadurch mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen. Im jetzigen Verfahren machte er zunächst von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, kündigte dann zwischenzeitlich an, sich doch äußern zu wollen – und blieb am Dienstag im Zeugenstand dennoch bei seinem Schweigen.
Die Aussagen des auskunftsfreudigeren Abholers stufte die Staatsanwaltschaft letztlich als glaubwürdig ein – unter anderem, weil sich verschiedene detaillierte Angaben durch polizeiliche Ermittlungen verifizieren ließen, auch wenn es dabei um Sachverhalte ging, die eine Beteiligung des Angeklagten nicht direkt belegten. Außerdem verwies die Staatsanwältin auf einen Geldabholer, der in München festgenommen worden war und den in Tettnang Angeklagten ebenfalls belastet hat – allerdings nicht im direkten Zusammenhang mit dem in München zu verhandelnden Fall, weshalb er dort auch nicht angeklagt wurde. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zeigte sich letztlich überzeugt davon, dass der Angeklagte innerhalb der Betrügerbande als so genannter Logistiker fungierte, als Kontaktmann zu den Hintermännern in der Türkei, der von einer Shisha-Bar in Bremen aus die Geldabholungen in ganz Deutschland koordiniert hat.
Der Verteidiger hingegen warf der Staatsanwaltschaft vor, keine nachvollziehbare Erklärung geliefert zu haben, warum die Aussagen des Hauptbelastungszeugen glaubwürdig sein sollten – denn in seiner ersten polizeilichen Vernehmung hatte er den Namen seines Mandanten überhaupt nicht erwähnt, sondern seinen Mitfahrer als Auftraggeber genannt. „Alles, was ich von der Staatsanwaltschaft gehört habe, ist Glaubenssache“, kritisierte der Verteidiger. Es gebe keine tragfähige Beweisgrundlage für einen Schuldspruch. Sämtliche Aspekte aus den Aussagen des Abholers, die die Polizei verifiziert habe, hätten nichts mit dem konkreten Fall zu tun. Indizien, mit denen sich die entscheidenden Aussagen objektiv belegen ließen, gebe es nicht – weshalb sein Mandant freizusprechen sei.
Mit weiteren Straftaten zu rechnen
Das Gericht folgte dennoch der Argumentation der Staatsanwaltschaft, auch wenn die Strafe um drei Monate geringer ausfiel. Was die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen betrifft, verwies Richter Max Märkle unter anderem darauf, dass dieser im Zeugenstand auf immer wiederkehrende Fragen der Verteidigung zu verschiedenen Details immer und immer wieder dieselben Antworten gegeben habe wie in seiner zweiten und dritten Vernehmung bei der Polizei. Aus den Aussagen des Zeugen und den Indizien ergab sich für das Gericht letztlich ein Gesamtbild, das zu der Überzeugung geführt hat, dass der Angeklagte schuldig zu sprechen ist.
Außerdem ordnete das Gericht an, dem Verurteilten Körperzellen zu entnehmen, um ihn bei künftigen Straftaten anhand seiner DNA identifizieren zu können. Denn aufgrund seiner hohen kriminellen Energie und seiner Stellung innerhalb der Bande – „Sie sind ein entscheidender Teil, der nicht einfach ausgetauscht werden kann“– sei nach Verbüßen der Strafe mit weiteren, gleichgelagerten Straftaten zu rechnen, so der Richter.