Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Kulturscho­ck, der Türen öffnet

Die Lindauerin Julia Drache berichtet von ihren Erlebnisse­n bei der Oscar-Verleihung

- Von Bettina Buhl

LINDAU - Für Regisseuri­n Katja Benrath war es „ein Kulturscho­ck“, Produzent Tobias Rosen bezeichnet­e das Erlebnis als „surreal“. Julia Drache beschreibt es einfach mit „wahnsinnig aufregend und sehr, sehr lustig“. Die Rede ist von der Oscar-Verleihung in Los Angeles.

„Watu Wote – all of us“, der Film, den die gebürtige Lindauerin Drache mit einem Team als Abschlussa­rbeit an der Hamburg Media School erstellt hatte, war eine der deutschen Hoffnungen – nominiert in der Kategorie „bester Kurzfilm“. Am Ende machte zwar „The Silent Child“das Rennen, Drache kam aber dem echten Oscar trotzdem sehr nahe.

„Neben uns saß Rachel Shelton, die den Preis für den besten Kurzfilm gewonnen hat. Ebenfalls ein sehr nettes Team, und wir gönnen es ihnen natürlich von Herzen“, erzählt die 36-Jährige und schickt stolz ein Foto, auf dem Benrath, Shelton und die Trophäe zu sehen sind. Sie hätte sich nie träumen lassen, dass sie einmal bei den wichtigste­n Filmpreise­n der Welt dabei sein wird. Die Filme, an denen sie mitarbeite­t, seien nicht darauf ausgelegt, möglichst viele Preise abzusahnen, es gehe um politische Themen, „die in die Welt getragen werden müssen“.

Für „Watu Wote“hat Drache das Drehbuch geschriebe­n und den Schnitt übernommen. Der Film basiert auf einer wahren Begebenhei­t: Im Jahr 2015 stellten sich bei einem Terrorangr­iff von Islamisten auf einen Reisebus an der Grenze zwischen Kenia und Somalia Muslime schützend vor Christen. Für das Hamburger Team ist der Streifen wohl erst der Auftakt. „Der Oscar öffnet Türen, an die man sich vorher nicht mal zu klopfen gewagt hätte. Er lässt die Leute zuhören“, sagt Produzent Tobias Rosen. Drehbuchau­torin Drache nutzte die Oscar-Verleihung, um sich auch einmal mit ihren Vorbildern auszutausc­hen. Auf dem roten Teppich hatte sie Gelegenhei­t dazu: „Mein Highlight war Ruben Östlund, der mit ,The Square’ für den besten ausländisc­hen Film nominiert war. Ich bin ein großer Fan aller seiner Filme.“Er stand plötzlich neben ihr und sie sind ins Gespräch gekommen. „Er ist genauso lustig und clever wie seine Filme.“

Freilich gehören zum Oscar-Rummel Schaulaufe­n auf dem roten Teppich, glamouröse Roben, Blitzlicht­er. Für ihr Outfit – ein schwarzes Kleid der Hamburger Marke Estomo – hatte sich Drache im Vorfeld Hilfe von der Schwester ihrer Freundin geholt, einer Modejourna­listin, die auch aus Lindau stammt. „Sie hat mir schon als Siebenjähr­ige immer Stylingtip­ps gegeben – als ich 14 war. Und sie hatte immer recht.“Im Endeffekt war der Gang über den Oscar-Teppich „eine Sache von wenigen Minuten, aber ebenfalls sehr aufregend“.

Zum Trost gibt’s Schoko-Oscars

Katja Benrath, die mit Tobias Rosen namentlich für den Oscar nominiert war, hatte sich dafür eingesetzt, dass möglichst viele am Film Beteiligte bei der Verleihung dabei sein konnten. So durften neben Drache auch Kameramann Felix Striegel, die Schauspiel­erin Adelyne Wairimu und der Schauspiel­er Charles Karumi sowie kenianisch­e Produzente­n und der Filmkompon­ist mit ins Dolby Theatre in Los Angeles. Unter den Sitzen der Zuschauer lag eine kleine Snackbox von Jimmy Kimmel persönlich, erzählt Drache. Der amerikanis­che Comedian moderierte die 90. Oscar-Verleihung und ist laut Drache „live noch beeindruck­ender als im Fernsehen: extrem schlagfert­ig und spontan“.

Dass es am Ende keine goldene Statue für ihr Team gab, ist für Drache nicht schlimm. Scherzhaft hatte sie einen Plan B: Auf dem Hollywood-Boulevard gibt es an jeder Ecke kleine Plastik-Oscars zu kaufen. Ursprüngli­ch wollte sich das Team damit eindecken, sollte es nicht für jeden eine echte Trophäe geben. „Auf der Afterparty gab es sogar kleine Trost-Schoko-Oscars für alle. Also musste ich gar keine kaufen“, erzählt die zweifache Mutter, die in Hamburg lebt. „Watu Wote“ist heute ab 20 Uhr als Vorfilm des Dokumentar­films „True Warriors“im Lindauer Club Vaudeville zu sehen. Julia Drache, die auch bei „True Warriors“den Schnitt übernommen hat, will selbst vor Ort sein.

 ?? JULIA DRACHE FOTO: ?? Selfie auf dem roten Teppich: Julia Drache mit Kameramann Felix Striegel. Drache hatte Striegel auch zu Roger Deakins mitgenomme­n, der nach 14 Nominierun­gen den Oscar für die beste Kamera gewonnen hat. „Felix ist ein großer Fan und die beiden haben...
JULIA DRACHE FOTO: Selfie auf dem roten Teppich: Julia Drache mit Kameramann Felix Striegel. Drache hatte Striegel auch zu Roger Deakins mitgenomme­n, der nach 14 Nominierun­gen den Oscar für die beste Kamera gewonnen hat. „Felix ist ein großer Fan und die beiden haben...

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