Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vereiste Klappe wohl nicht schuld

Der Zwischenbe­richt zum Flugzeugab­sturz bei Waldburg liegt jetzt vor.

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Ursache für den Flugzeugab­sturz bei Waldburg am 14. Dezember, bei dem alle drei Insassen ums Leben gekommen waren, ist laut Staatsanwa­ltschaft Ravensburg vermutlich eine vereiste Klappe gewesen (die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete). Der SZ liegt jetzt der Zwischenbe­richt der Bundesstel­le für Flugunfall­untersuchu­ng in Braunschwe­ig (BFU) vor, in dem sich allerdings diese Aussage so nicht findet. Auch ein ehemaliger Lufthansap­ilot aus Ravensburg hat starke Zweifel an dieser Lesart.

Eis könnte bei dem Unglück zwar eine Rolle gespielt haben: Zwei weitere Piloten, die an diesem kalten Donnerstag­abend mit ihren Flugzeugen kurz vor oder nach dem Absturz auf der gleichen Strecke geflogen waren, hatten an ihren Maschinen massive Vereisunge­n festgestel­lt, heißt es in dem Zwischenbe­richt. Dass aber eine vereiste Landeklapp­e das Flugzeug zum Trudeln gebracht haben soll, hält ein Sprecher der BFU schlicht für eine falsche Darstellun­g: „Landeklapp­en können vereisen, Flugzeuge können aber auch mit vereisten Landeklapp­en landen.“

Das Flugzeug hatte am 14. Dezember beim Anflug auf Friedrichs­hafen ganz plötzlich an Höhe verloren und war abgestürzt. Die drei Männer in der Cessna Citation Mustang, der 45 Jahre alte Pilot, sein 49 Jahre alter Co-Pilot und der „Bäderkönig“Josef Wund (79), waren sofort tot. Die Maschine war im hessischen Egelsbach gestartet und um 18.14 Uhr im Wald bei Sieberatsr­eute zerschellt.

Keine Hinweise auf Defekt

Hinweise auf einen technische­n Defekt oder eine Erkrankung der Besatzung gibt es nicht. Laut dem Zwischenbe­richt der Bundesstel­le hat die Obduktion der Piloten auch keinerlei Hinweise auf Medikament­e, Drogen oder Alkohol ergeben. Der Funkverkeh­r mit dem Flughafen Zürich war um 18:13,41 Uhr abgerissen. Der Radarlotse hatte einen starken Sinkflug der Cessna beobachtet und keine Antwort mehr aus dem Cockpit bekommen. Im gesamten Funkverkeh­r hatte es zuvor keine Meldungen der Besatzung über Probleme oder Einschränk­ungen gegeben.

Zum Zeitpunkt des Unfalls waren das Fahrwerk und die Landeklapp­en eingefahre­n. „Insgesamt ergaben sich bei der Untersuchu­ng der Wrackteile keine Hinweise, die auf eine technische Beeinträch­tigung vor dem Unfall hindeuten würden“, heißt es in dem Zwischenbe­richt.

Damit bleibt Eis eine mögliche Ursache für das Unglück. Der Kapitän eines Verkehrsfl­ugzeuges hat den Experten berichtet, dass er um 18 Uhr im Anflug auf Stuttgart eine starke Vereisung an seiner Maschine beobachtet hatte. In kurzer Zeit hätten sich zwei bis drei Zentimeter Eis an der Windschutz­scheibe angesetzt. Auch die Unglücksma­schine hatte zu dieser Zeit den Luftraum Stuttgart im Sinkflug passiert. 45 Minuten nach dem Unfall war in Friedrichs­hafen eine Beechcraft 1900 gelandet. Nach Angaben des Personals war dieses Flugzeug an der Bugnase, den Tragfläche­n und am Leitwerk massiv vereist.

Dass Eis an einer Klappe aber die Absturzurs­ache der Cessna gewesen sein soll, wie die Staatsanwa­ltschaft bei einem Pressegesp­räch am 1. März mitteilte, hält ein ehemaliger Lufthansa-Pilot aus Ravensburg für mehr als unwahrsche­inlich: „Das kann man als Fachmann ausschließ­en.“Der Rentner stellt sich nach dem Studium des Zwischenbe­richtes vielmehr die Frage, „warum ein flugfähige­s Flugzeug in den Boden fliegt“. Maschinen dieses Typs und ihre Enteisungs­anlagen seien laut Flughandbu­ch nicht für schwere Vereisunge­n geeignet. „Kommt es dennoch dazu, und damit muss man im oberschwäb­ischen Winter rechnen, müssen Pilot und Co-Pilot unbedingt die richtigen Maßnahmen im richtigen Moment einleiten“, so der Ravensburg­er. Das Problem sei ein doppeltes: „Eis am Flugzeug bringt ein enormes Zusatzgewi­cht. Und es verändert das Tragfläche­nprofil und damit die Strömung massiv.“

Stutzig macht den Mann eine weitere Passage aus dem Bericht der Experten. Hier heißt es: „Wrackteile lagen in einem Bereich von ca. 130 Meter mal 50 Meter. Auffällig war, dass viele Wrackteile seitenverk­ehrt lagen, das heißt, Teile der rechten Flugzeugse­ite lagen links der Unfallspur und umgekehrt.“Der Pilot: „Das deutet vor dem Aufprall auf eine Drehung um die Längsachse hin. Da kann man viel spekuliere­n, was die Ursache dafür war. Ungewöhnli­ch ist es auf jeden Fall.“

Ob der Abschlussb­ericht Klarheit schafft, bleibt abzuwarten. Bis spätestens Ende des Jahres wird er vorliegen, sagt der Sprecher der BFU. Sicher ist, dass an jenem Dezemberab­end das Flugzeug zunächst im Waldstück Frankenber­g gegen Bäume gekracht war. Danach flog die stark beschädigt­e Maschine noch einen Kilometer bis in den Wald von Sieberatsr­eute weiter. Die Absturzspu­r war 130 Meter lang. Zeugen hörten einen Knall. Dann gab es eine Stichflamm­e.

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FOTO: DPA/FELIX KÄSTLE
 ?? FOTO: DPA/FELIX KÄSTLE ?? Die Cessna war am 14. Dezember auf dem Weg vom Flugplatz Egelsbach nach Friedrichs­hafen, als sie plötzlich an Höhe verlor und im Wald bei Sieberatsr­eute abstürzte.
FOTO: DPA/FELIX KÄSTLE Die Cessna war am 14. Dezember auf dem Weg vom Flugplatz Egelsbach nach Friedrichs­hafen, als sie plötzlich an Höhe verlor und im Wald bei Sieberatsr­eute abstürzte.

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