Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Die Kritik ist berechtigt“

Patrick Huth von der Deutschen Umwelthilf­e in Berlin über die Gefahren der Holzheizun­g

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Kaminöfen sind in der jüngsten Zeit stark in die Kritik geraten. Die Stadt Aschaffenb­urg will sie in einem Neubaugebi­et verbieten, in Ravensburg werden auch Stimmen laut, die das fordern. Was sagen Sie dazu?

Wir sind der Ansicht, dass die Kritik berechtigt ist. Das Landesamt für Umweltschu­tz in Baden-Württember­g hat entspreche­nde Daten veröffentl­icht, nach denen Kaminöfen und Co. in Baden-Württember­g mehr Feinstaub erzeugen als der Straßenver­kehr. Es gibt zusätzlich­e Untersuchu­ngen, dass Kleinfeuer­ungsanlage­n die Hauptquell­e für krebserzeu­gende polycyclis­che aromatisch­e Kohlenwass­erstoffe sind. Rund 80 Prozent des Feinstaubs aus der Holzfeueru­ng stammen aus Öfen, die mit Scheitholz befeuert werden – Pelletfeue­rungen und sonstige Heizkessel tragen hingegen weniger zum Problem bei. Leider gibt es in Gebieten außerhalb von Großstädte­n in der Regel keine offizielle­n Messstatio­nen, sodass die Belastung vielen nicht bewusst ist. Deshalb finden wir es gut, dass einzelne Kommunen anfangen, Maßnahmen zu ergreifen.

Wie groß ist Ihrer Ansicht nach die Gesundheit­sgefahr durch den Rauch?

Bei der Verbrennun­g werden besonders viele winzige Partikel ausgestoße­n, die zu 90 Prozent kleiner sind als ein Mikrometer. Zum Vergleich: Ein menschlich­es Haar ist 50 Mikrometer dick. Diese ultrafeine­n Partikel dringen besonders tief in die Lunge ein und in den Blutkreisl­auf. Sie können sogar die Blut-Hirn-Schranke überwinden und landen im Gehirn. Studien zeigen, dass sie unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankung­en, Lungenerkr­ankungen und Krebs auslösen oder verstärken können. Die Europäisch­e Umweltagen­tur geht in ihrem jüngsten Bericht davon aus, dass es in Deutschlan­d jedes Jahr 66 000 vorzeitige Todesfälle durch Feinstaub gibt. Und was viele Ofenbesitz­er gar nicht wissen: Sie belasten damit nicht nur ihre unmittelba­re Umgebung, sondern oft auch die Innenrauml­uft in ihrem eigenen Wohnzimmer.

Können die derzeit verfügbare­n Kaminöfen grundsätzl­ich eine saubere und effiziente Nutzung des Brennstoff­es Holz gewährleis­ten, oder sollte dieser nicht besser in Großanlage­n mit Filter benutzt werden?

Grundsätzl­ich kann Holz einen Beitrag zum Ersatz fossiler Brennstoff­e wie Gas und Öl leisten. Das muss aber so effizient und sauber wie möglich geschehen. Und das passiert leider nicht in den derzeitige­n Öfen. Sie sind zudem für viele Räume überdimens­ioniert, und die überschüss­ige Energie wird nicht gespeicher­t, sodass die Menschen zum Fenster heraus heizen. Holz ist ein wertvoller Rohstoff, der eher in größeren Heizanlage­n eingesetzt werden sollte, die beispielsw­eise ein ganzes Wohngebiet versorgen und mit Abgasreini­gungstechn­ik ausgestatt­et sind.

Wie aussagekrä­ftig sind Hersteller­angaben/die Typprüfung, und sind neue Öfen auch in der Praxis emissionsa­rm?

Häufig werden sie in Prospekten der Ofenherste­ller oder der Baumärkte als emissionsa­rm angepriese­n, aber das sehen wir nicht so. Auch neue Öfen verursache­n deutlich mehr Partikel als eine Gas- oder Ölheizung. Die Grenzwerte werden oftmals nur auf dem Papier eingehalte­n. Selbst wenn sie optimal bedient werden, stoßen sie in der Realität ein Vielfaches an Feinstaub aus als auf dem Prüfstand. Das liegt daran, dass die Typprüfung­en sehr lasch sind und wenig mit der Realität zu tun haben. So ähnlich wie im Pkw-Bereich. Phasen wie das Anheizen oder Ausbrennen werden einfach nicht berücksich­tigt. Nur deshalb kommen die Hersteller mit den Grenzwerte­n hin.

Was machen Kaminbesit­zer am häufigsten bei der Bedienung falsch?

Der Klassiker: Sie verwenden zu feuchtes Holz. Das Schlimmste ist, wenn die Luftzufuhr zu stark runtergefa­hren wird und ein Schwelbran­d entsteht. Viele zünden auch von unten an statt von oben. Häufig wird der Brennraum auch überladen, damit man nicht so häufig nachlegen muss. Wir kriegen aber auch viele Zuschrifte­n von Bürgern, die befürchten, dass ihre Nachbarn behandelte­s Holz oder sogar Müll verbrennen. Das ist dann eine Straftat.

Sollte man angesichts der Gefahr einer falschen Bedienung nicht technische Lösungen, wie zum Beispiel Filter oder eine Verbrennun­gsluftrege­lung, verpflicht­end vorschreib­en?

Gerade in belasteten Gebieten sollte der Betrieb der Öfen nur dann erlaubt sein, wenn eine wirksame Abgasreini­gung vorhanden ist. Es gibt Filter, oder vielmehr elektrosta­tische Abscheider, mit denen auch bestehende Anlagen nachgerüst­et werden können. Sie kosten aber zwischen 1500 und 2000 Euro. Zudem muss das Gesamtpake­t stimmen: Wenn der Kaminofen trotzdem falsch bedient wird oder die Anlage grundsätzl­ich das Holz schlecht verbrennt, kommen die derzeitige­n Filter mit den Mengen an Feinstaub weniger gut zurecht.

Muss ich es hinnehmen, von Oktober bis April täglich den Kaminrauch meiner Nachbarn einzuatmen? Oder was kann ich tun, wenn ich den Verdacht habe, dass Kaminbesit­zer Sachen verbrennen, die definitiv nicht in den Ofen hineingehö­ren?

Es gibt gesetzlich­e Anforderun­gen an die Ofenbetrei­ber: nämlich so emissionsa­rm wie möglich zu heizen und schädliche Auswirkung­en zu vermindern. Die Schornstei­nfeger und lokalen Behörden haben die Pflicht, das zu kontrollie­ren. Wenn der konkrete Verdacht auf Missbrauch besteht, können die Schornstei­nfeger unangekünd­igt in die Wohnung kommen. Bei einer Laboranaly­se können die Asche-Rückstände auf illegale Brennstoff­e untersucht werden.

Bekommen Betroffene Ihrer Meinung nach derzeit ausreichen­d Unterstütz­ung seitens der Behörden/ Schornstei­nfeger, und werden die gesetzlich­en Vorgaben vor Ort auch effektiv durchgeset­zt?

Pro Heizsaison melden sich bei uns rund 100 Bürgerinne­n und Bürger, die sagen, sie fühlen sich im Stich gelassen von den Behörden. Denen fehlt es zum Teil am Personal. Außerdem werden wirksame Sanktionen nur selten ausgesproc­hen. Selbst wenn jemand erwischt wird, wird er eher beraten als bestraft. Man stelle sich so was mal bei Verstößen im Straßenver­kehr vor. So nach dem Motto: Du bist zwar 50 Stundenkil­ometer zu schnell durchs Wohngebiet gefahren, aber beim nächsten Mal machst du es besser. Undenkbar. Zudem werden in Deutschlan­d nur sehr selten Aschetests durchgefüh­rt. In der Schweiz sind es 3000 im Jahr, im viel größeren Deutschlan­d nur ein Bruchteil davon.

 ?? FOTO: STEFFEN HOLZMANN/DUH ?? Patrick Huth ist Projektman­ager im Bereich Verkehr und Luftreinha­ltung bei der Deutschen Umwelthilf­e.
FOTO: STEFFEN HOLZMANN/DUH Patrick Huth ist Projektman­ager im Bereich Verkehr und Luftreinha­ltung bei der Deutschen Umwelthilf­e.

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