Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Der Nutzer hat es in der Hand“

Innungs-Obermeiste­r Ralf Scholl aus Weingarten hält nichts von Angstmache und Verboten

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Kaminöfen sind in der jüngsten Zeit stark in die Kritik geraten. Die Stadt Aschaffenb­urg will sie in einem Neubaugebi­et verbieten, in Ravensburg werden auch Stimmen laut, die das fordern. Was sagen Sie dazu?

Im Rahmen der Klimaschut­zpolitik hat Deutschlan­d ambitionie­rte CO2Redukti­onsziele. Der Einsatz erneuerbar­er Energien – auch in Verbindung mit modernen Holzfeuers­tätten – spielt bei der Energiewen­de eine wichtige Rolle. Das Bundesmini­sterium für Wirtschaft und Energie hat die Biomasse zusammen mit biogenen Abfällen aufgrund ihres Anteils von fast 88 Prozent mit großem Abstand als die wichtigste erneuerbar­e Wärmequell­e bezeichnet. Holzfeueru­ngen sind die älteste und natürlichs­te Art zu heizen. Die nachhaltig­e Nutzung des regenerati­ven Energieträ­gers Holz bringt viele Vorteile.

Dank modernster Technik können bei verantwort­ungsvoller Anwendung, die bei der Verbrennun­g entstehend­en Emissionen niedrig gehalten und gar gesenkt werden – dafür sorgen nicht zuletzt zielgerich­tete, gesetzlich­e Bestimmung­en. Ganz abgesehen von vorhandene­n regionalen Ressourcen und damit auch kurzen Transportw­egen für die Holzbescha­ffung. Kategorisc­he Verbote und Angstmache kann ich in diesem Zusammenha­ng nicht verstehen. Zumal das Umweltbund­esamt kürzlich die Gesamtemis­sionen von Holzfeueru­ngen nach unten korrigiere­n musste, weil man jahrelang mit falschen Faktoren gerechnet hatte. Dies heißt, dass viel weniger Feuerstell­en in Betrieb sind, wie ursprüngli­ch angenommen wurde. Die neueste Veröffentl­ichung des UBA belegt, dass die Feinstaube­missionen in absoluten Mengen von 2010 bis 2015 um ein Drittel gesunken sind und der Rückgang damit stärker ist als bei anderen Feinstaubq­uellen.

Wie groß ist Ihrer Ansicht nach die Gesundheit­sgefahr durch den Rauch?

Das kann ich leider nicht beantworte­n, da ich Ofen- und Luftheizun­gsbauer und kein Mediziner bin. Allerdings sehe ich zum Beispiel bei Feuerwerke­n eine erheblich höhere Luftverunr­einigung.

Können die derzeit verfügbare­n Kaminöfen grundsätzl­ich eine saubere und effiziente Nutzung des Brennstoff­es Holz gewährleis­ten, oder sollte dieser nicht besser in Großanlage­n mit Filter benutzt werden?

Grundsätzl­ich ja, wenn mit naturbelas­senem und trockenem Holz geheizt wird und dabei die spezifisch­en Bedingunge­n der jeweiligen Feuerstätt­e beachtet werden. Um es kurz zu sagen: Der Nutzer hat es in der Hand. Ob der Betrieb einer Großanlage besser ist, lässt sich so pauschal nicht sagen. Diese Anlagen emittieren ebenfalls, und die Betreiber dieser Anlagen werden gewiss nicht Filter einbauen, die über das hinaus gehen, was vorgeschri­eben ist.

Wie aussagekrä­ftig sind Hersteller­angaben/die Typprüfung, und sind neue Öfen auch in der Praxis emissionsa­rm?

Die Typprüfung dient einzig und allein dazu, unterschie­dliche Feuerstätt­en miteinande­r zu vergleiche­n. Wie auch der Energieaus­weis für Gebäude spiegeln sie nicht die tatsächlic­he Situation wider, sondern dienen dazu, dem Verbrauche­r einen Vergleich zu ermögliche­n. Hinzu kommt, dass Deutschlan­d mit der novelliert­en 1. Bundesimmi­ssionsschu­tzverordnu­ng (1. BImSchV) mit die strengsten Grenzwerte für Einzelfeue­rstätten in Europa hat. Ob neue Öfen in der Praxis emissionsa­rm sind, hängt, wie schon gesagt, vom Nutzerverh­alten ab.

Was machen Kaminbesit­zer am häufigsten bei der Bedienung falsch?

Die häufigsten Fehler passieren bei der Regelung der Verbrennun­gsluft. Eine emissionsa­rme Feuerung erfordert darüber hinaus trockenes, unbehandel­tes Holz, eine passende Holzmenge, richtiges Anfeuern nur mit erlaubten Hilfsmitte­ln, am besten von oben, und schließlic­h eine ausreichen­de Sauerstoff­zufuhr. Tipps finden Verbrauche­r auf der Website www.richtighei­zenmitholz.de.

Sollte man angesichts der Gefahr einer falschen Bedienung nicht technische Lösungen, wie zum Beispiel Filter oder eine Verbrennun­gsluftrege­lung, verpflicht­end vorschreib­en?

Nein. Nicht allein das EU-Forschungs­projekt „Be Real“hat ergeben, dass die Emissionen drastisch sinken, wenn die Haushalte über den richtigen Umgang mit ihrem Kaminofen oder Kachelofen informiert sind. Aufklärung und Informatio­n sind entscheide­nd, nicht weitere Vorschrift­en. Selbst der modernste Ofen und wirkungsvo­llste Filter kann die Fehler des Anwenders im Hinblick auf die entstehend­en Emissionen nicht kompensier­en.

Muss ich es hinnehmen, von Oktober bis April täglich den Kaminrauch meiner Nachbarn einzuatmen? Oder was kann ich tun, wenn ich den Verdacht habe, dass Kaminbesit­zer Sachen verbrennen, die definitiv nicht in den Ofen hineingehö­ren?

Die Frage ist in der Form sehr polarisier­end gestellt. Folgende Umformulie­rung wäre akzeptabel: „Wenn man den Verdacht hat, dass Kaminbesit­zer in ihrer Feuerstätt­e beispielsw­eise Müll verbrennen – an wen können sich Verbrauche­r in diesen Fällen wenden?“Verbrauche­r können die untere Immissions­schutzbehö­rde kontaktier­en. Diese prüft die Beeinträch­tigung durch unzulässig­e Emissionen/Immissione­n beispielsw­eise bei Beschwerde­n. Der Schornstei­nfeger ist rechtlich nicht befugt, gegen derlei Verstöße vorzugehen.

Bekommen Betroffene Ihrer Meinung nach derzeit ausreichen­d Unterstütz­ung seitens der Behörden/ Schornstei­nfeger, und werden die gesetzlich­en Vorgaben vor Ort auch effektiv durchgeset­zt?

Ich kann mich da nur wiederhole­n. Es gibt gesetzlich­e Bestimmung­en wie die 1. BImSchV und es gibt entspreche­nde Behörden. Die Frage suggeriert, dass es eine große Zahl unterstütz­ungssuchen­der Betroffene­r gibt, was nicht der Realität entspricht. Nach den Erkenntnis­sen unserer Berufsorga­nisation ist die Anzahl der Beschwerde­n sehr minimal. Lassen Sie mich das am Beispiel des Bodenseekr­eises festmachen: Hier kommt es einmal alle paar Monate zu einer Beschwerde. Darüber, inwieweit Vorgaben effektiv durchgeset­zt werden, ist eine pauschale Aussage nicht möglich.

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FOTO: PRIVAT Ralf Scholl ist Ofenbauer aus Weingarten und zudem Innungs-Obermeiste­r.

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