Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Betreuungsverein hat mehr Mitglieder
Zahl der Ehrenamtlichen bei St. Martin nahm überdurchschnittlich zu
RAVENSBURG - „Die Aufgabe wächst. Die Bevölkerung wird immer älter. Die Zahl der Personen, die rechtliche Betreuung benötigen, nimmt weiter zu.“So umriss Hans Georg Kraus, der Vorsitzende des kreisweit aktiven Betreuungsvereins St. Martin, in der sehr gut besuchten Mitgliederversammlung die Situation. Der Verein, einer der größten im Land, hat ihr Rechnung getragen, indem er im vergangenen Geschäftsjahr die
Zahl seiner ehrenamtlichen
Betreuer überdurchschnittlich erhöht hat.
Nach wie vor und trotz intensiver Öffentlichkeitsarbeit haben es die Verantwortlichen des Vereins mit Sitz in der Ravensburger Kuppelnaustraße 8 mit einem weit verbreiteten Missverständnis zu tun. Viele Leute verstehen unter Betreuung etwas anderes, als die drei haupt- und 274 ehrenamtlichen Kräfte des Vereins bieten. Sie sind für die rechtlichen Belange zuständig. Und stoßen dabei zunehmend an ihre Grenzen.
„Wir können nicht sehr viel mehr Fälle übernehmen“, gab der Vorsitzende insbesondere im Hinblick auf die sogenannten Vereinsbetreuungen durch die Hauptamtlichen – schwierige Fälle, die besondere Fachkenntnisse erfordern – zu bedenken. Im vergangenen Geschäftsjahr widmeten sich die weiblichen Profis insgesamt 64 Betreuten. Kraus erklärte zwar die grundsätzliche Bereitschaft, die Arbeit des Vereins entsprechend der Bevölkerung weiter auszuweiten, was allerdings zusätzliche angestellte Kräfte erfordern würde. Das sei aber nur vertretbar, wenn die finanzielle Basis stimme.
Was die betrifft, so steht der gut geleitete Verein, der grundsolide wirtschaftet, im Unterschied zu anderen derartigen Vereinen zwar nach wie vor ordentlich da. Dies aber nur, weil es dem Vorstand und Geschäftsführerin Monika Bettinger im vergangenen Jahr wieder gelungen ist, noch mehr Mitglieder zu gewinnen (jetzt 382, davon 33 neue), eine Menge Spenden lockerzumachen (darunter eine Großspende) und die Gerichte im Kreis verhängte Bußgelder zukommen zu lassen. Hingegen fühlt sich der Verein von der hohen Politik im Stich gelassen.
Bereits seit 2005 ist die Vergütung für Vereinsbetreuung, die bei 44 Euro pro Stunde liegt, nicht erhöht worden. Zahllose Anläufe der sozialen Spitzenverbände mit dem Ziel, das zu ändern, sind bisher im Sande verlaufen. Zwar hat der Bundestag einen entsprechenden Beschluss gefasst, doch der Bundesrat mauert. Im neuen Koalitionsvertrag steht zwar wieder, dass die Vergütung für Berufsbetreuer und Vereine angehoben werden soll, doch Vorsitzender Kraus ist skeptisch: „Die Botschaft hör’ ich wohl.“Positiv wertete er hingegen, dass die Hälfte der Ehrenamtlichen im Verein Männer sind, denen ansonsten nicht gerade nachgesagt wird, sie seien ehrenamtlich sozial engagiert. Er sprach von einer sinnvollen rechtlichen Beratungstätigkeit für hilfsbedürftige Mitmenschen, bei der man auch etwas zurückbekomme.
Geschäftsführerin Bettinger machte unter anderem deutlich, welchen großen Wert der Verein nach wie vor auf die Fortbildung der ehrenamtlichen Betreuer legt, die insgesamt für 373 Betreuungen zuständig sind – etliche also für mehrere. Diesem Zweck dienen nicht nur zahlreiche Veranstaltungen im gesamten Kreisgebiet, sondern auch Einzelberatungen (2017 insgesamt 361), die auch von ratlosen Angehörigen in Anspruch genommen werden, in wachsendem Maße zum Thema Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung, die der Verein dringend empfiehlt. Die von ihm gebotene Beratung ist kostenlos. „Man muss nicht Mitglied sein“, betonte die Geschäftsführerin.
Intensiv beraten werden auch Mitbürger, die sich für eine ehrenamtliche Beratungstätigkeit interessieren. 2017 hat der Verein 25 derartige Interessenten an die Betreuungsbehörde (Landratsamt) vermittelt, mehr als die vorgeschriebenen 14. Die Ehrenamtlichen wurden bisher von den in Auflösung befindlichen Bezirksnotariaten bestellt, deren Aufgabe 2018 an die Betreuungsgerichte bei den vier Amtsgerichten im Kreis übergeht. Der Betreuungsverein St. Martin hat bei diesem Verfahren eine Schlüsselrolle inne. Im laufenden Jahr will er seine Fortbildung der Ehrenamtlichen erstmals um einen Seminartag erweitern.
Aus dem Bericht des zweiten Vorsitzenden Thomas Rezbach ging hervor, dass der Verein 2017 bei einem finanziellen Gesamtvolumen von 235 984 Euro einen Jahresüberschuss von 7628 Euro erwirtschaftet hat. Einstimmig wurde dem Vorstand Entlastung erteilt und der Haushaltsplan für 2018 gebilligt. Anschließend löste Pfarrer Friedemann Manz, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Ravensburg, mit einem Vortrag über Altersarmut und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für Kirche und Gesellschaft eine lebhafte Diskussion aus.
„Wir können nicht sehr viel mehr Fälle übernehmen“, gab der Vorsitzende Hans Georg Kraus zu bedenken.
„Die Botschaft hör’ ich wohl“, äußert sich Kraus skeptisch zum Bundestagsbeschluss.