Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Nachkriegskind ist jung geblieben
Volkshochschule Ravensburg feiert mit einem Festakt ihr 70-jähriges Bestehen
RAVENSBURG - Mit einem großen Festakt im Schwörsaal hat die Volkshochschule (VHS) Ravensburg ihr 70-jähriges Bestehen gefeiert. Vielen Widerständen zum Trotz hat sie sich ihre Trägerschaft als eingetragener Verein bewahrt. Vorsitzender Berthold Traub und Geschäftsführerin Silke Pfaller versicherten gleichermaßen, dass die VHS sich nicht auf dem Erreichten ausruhe, sondern wie in der Vergangenheit neue Herausforderungen annehme und eine wichtige Säule in der städtischen Bildungslandschaft bleibe.
Mit dem Umzug von der Wilhelmin die Gartenstraße hat die VHS nach den Worten von Bürgermeister Simon Blümcke gute räumliche Voraussetzungen, sich positiv weiterzuentwickeln. Statt des obligatorischen Schecks, den er zu Hause vergessen hatte, brachte Blümcke das Versprechen mit, dass der Eingangsbereich in der Gartenstraße 33 demnächst wunschgemäß verbessert werde. Die Digitalisierung werde zwar auch in dieser Institution weiter voranschreiten, aber die Begegnung von Mensch zu Mensch werde darüber nie obsolet. Daher könne eine Volkshochschule nie alt sein, weil sie immer Menschen unterschiedlicher Herkunft und jeden Alters zusammenbringe.
Erwachsenenbildung steht vor enormen Herausforderungen
In den vergangenen 70 Jahren hat sich laut Ministerialrat Norbert Lurz in Deutschland ein beispielloser Wandel von großem Notstand zu einer Wohlstandsgesellschaft vollzogen. Dennoch stehe die Erwachsenenbildung vor enormen Herausforderungen wie der Integration geflüchteter Menschen in Form von Sprachkursen. „Die Welt ist komplexer und transparenter geworden“, sagte Lurz. Gesellschaftliche Herausforderungen müssten aber in erster Linie von den Menschen vor Ort angepackt und gemeistert werden. Daher sei eine wohnortnahe Weiterbildung für ein lebenslanges Lernen unerlässlich.
In seiner Festansprache würdigte Berthold Traub den Mut und die Tatkraft jener Männer, die 1948 unter dem wachsamen Auge der französischen Besatzungsmacht die VHS Ravensburg aus der Taufe gehoben haben, unter ihnen der damalige OB Albert Sauer und der Maler Julius Herburger. Zahlreiche Nachkommen der Gründungsväter waren zu dem Festabend gekommen. Die Franzosen wollten nach der Naziherrschaft eine von staatlichen Institutionen unabhängige Erwachsenenbildung aufbauen, die frei ist von ideologischer Indoktrination. Sie sollte eine demokratische Gesinnung fördern. Die Schwerpunkte der Erwachsenenbildung haben sich zwar seither gewandelt, aber der ursprüngliche Bildungsauftrag sei geblieben – auch und gerade in Zeiten von Fakenews und Verschwörungstheorien.
Traub: „Bildung ist mehr als die Anhäufung von Wissen und Fakten, sondern die Fähigkeit, das alles richtig einzuordnen und zu werten.“Angefangen habe die VHS mit 20 Dozenten. Heute werden rund 10 000 Menschen von mehr als 200 Lehrern unterrichtet. „Zu uns kommt man freiwillig“, betonte Traub. Gradmesser für die Teilnehmerzahl sei nicht nur ein attraktives Bildungsangebot – in guter und enger Zusammenarbeit mit der benachbarten VHS in Weingarten –, sondern auch entsprechende räumliche Voraussetzungen.
Die wären, so der Vorsitzende weiter, nicht gegeben, wenn der Trägerverein vor Jahren dem von der Stadt gewünschten Umzug nach Weißenau zugestimmt hätte, um in einem Gebäude der Realschule Platz zu machen für die Musikschule Ravensburg: „Das hätte jetzt die Realschule in eine arge Bedrängnis gebracht, und die Stadt könnte die Villa Sterkel, in der die Musikschule noch ist, nicht mehr an das Bürgerliche Brauhaus verkaufen, damit die Kultkneipe Räuberhöhle erhalten bleibt“, merkte Traub mit leicht ironischem Unterton an. Dieses Beispiel zeige, dass auch die Stadt davon profitiere, wenn die Volkshochschule in der Trägerschaft eines Vereins bleibe und nicht zu einer kommunalen Behörde werde. Schließlich würden auch die weitaus größeren Volkshochschulen in Stuttgart, Tübingen oder Ulm als Vereine geführt. Einen besonderen Dank richtete der Vorsitzende an den langjährigen VHSLeiter Alfred Sattig, der von 1979 bis 2017 das Gesicht dieser Institution war und ihr weiterhin als geschätzter Dozent verbunden ist. Mit seiner markanten Persönlichkeit habe er diese Institution geprägt.
Das Bläserensemble der Musikschule unter der Leitung von Harald Hepner gab dem Abend musikalischen Glanz. Zwei Deutsch-Schüler aus Syrien, der Sänger Abdul Rahman Abukamil und der Lautenist Bashar Kasu, beeindruckten die Gäste mit ihrem musikalischen Beitrag aus ihrer Heimat. Und schließlich widmete sich die Stuttgarter Akademie für gesprochenes Wort in Form eines geistreichen literarischen Kabaretts verschiedenen Kapiteln aus dem aktuellen VHS-Programm.