Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Stehvermögen rettet Boxverein
„Champ“sammelt 100 000 Euro – Leistungssport, Fitness und integrative Arbeit
RAVENSBURG (fh) - Gute Boxer zeichnen sich dadurch aus, dass sie nach Niederschlägen wieder aufstehen. Jürgen Hauser ist ein guter Wettkampfboxer gewesen. Seine Qualitäten als Kämpfer hat der Ravensburger jetzt auch als Chef eines Boxvereins und einer -Akademie gut gebrauchen können. Die Geschichte des „Champ“, so der passende Clubname, ist eine, die von Mut und Stehvermögen erzählt. Und sie ist die Geschichte einer ungewöhnlichen Rettung.
Im Sommer 2015 musste Hauser mit seinem gesamten Equipment und 200 Mitgliedern aus den angestammten Räumen in der Ziegelstraße ausziehen, wo er sich mit der Gründung des „Champ“seinen Lebenstraum erfüllt hatte. Nach langem Suchen und vielen Hilfsappellen - freie Flächen in Ravensburg sind so rar wie Niederlagen der Klitschkos, bezahlbare freie noch viel rarer - fanden die Boxer Unterschlupf in der ehemaligen „Sportfabrik“an der Wangener Straße.
Einen Großbrand des Gebäudes überstand der Verein weitgehend unbeschadet. Mehr schmerzte da die Entscheidung des Vermieters, den Vertrag nach zwei Jahren nicht mehr zu verlängern. Die Geschichte mit der verzweifelten Herbergssuche wiederholte sich, bis sich in letzter Minute dank der Vermittlung von Ravensburgs Wirtschaftsförderer Andreas Senghas und Ralf Schneider von Immobilien Sterk doch noch eine Lösung fand: Eine alte Fabrikhalle direkt neben dem technischen Rathaus im Deisenfang, die der Firma EBZ gehört.
Das Problem: Investitionskosten von gut 100 000 Euro, um das Gebäude als Sportstätte mit allen Auflagen zu ertüchtigen - Geld, das der Verein nicht auf der hohen Kante hatte. Kurz vor Weihnachten startete Jürgen Hauser den kühnen Rettungsversuch. Mitgliedern, Freunden und Förderern bot er „Champ-Bausteine“an, um über ein Crowdfunding gemeinsam das neue Vereinsheim hochzuziehen. Die Idee: Jeder kann für 1000 Euro einen „Baustein“in Form eines Darlehens erwerben. Innerhalb von zehn Jahren gibt es die mit drei Prozent Rendite zurück.
„Was dann passiert ist, macht mir immer noch Gänsehaut“, sagt Hauser. Innerhalb weniger Wochen waren alle Bausteine beisammen und noch einige Spenden dazu. „Ehemalige Schüler haben sich gemeldet, Eltern von gehandicapten Mitgliedern, persönliche Freunde. Einmal hat kommentarlos ein Umschlag in meinem Briefkasten gesteckt.“Das Vertrauen in seine Arbeit habe ihn überwältig, sagt der Boxer.
In einem weiteren Kraftakt mit Tag- und Nachtschichten ging es an den Umbau, trainiert wurde derweil parallel in verschiedenen Sporthallen. Inzwischen ist die neue Heimat der „Champs“bezogen, 485 Quadratmeter insgesamt, ausgestattet mit allem, was ein Boxerherz begehrt: Boxsäcke, Ring, Handschuhe, Springseile, Pratzen, Medizinbälle, große Duschräume, eine Lounge. Die letzten Arbeiten in der Sauna und im separaten Kraftbereich laufen noch.
Zehn Jahre mindestens kann Jürgen Hauser mit seinem Trainerstab jetzt an seinem Konzept vom „Boxen für alle“weiterarbeiten. Der Wettkampfsport bleibt eine Säule, auch ambitionierte Hobby- und Kickboxer finden genügend Trainingszeiten. Dazu kommt der weiter boomende Bereich Fitnessboxen und natürlich der integrative Ansatz des Champ: Boxen mit Flüchtlingen und Gehandicapten, zur Stärkung des Selbstbewusstseins von Frauen, zum Abbau von Aggressionen bei Jugendlichen, im Leichtkontakt als idealer Sport in der Schule, als Fortbildung für Lehrer und Übungsleiter.
Am Samstag, 21. April, wird offiziell die Eröffnung im Deisenfang 37 gefeiert. Und das Stehvermögen eines Boxers. ANZEIGE