Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Fliegerbom­be in Neu-Ulm entschärft

Schwergewi­chtige Kriegshint­erlassensc­haft führte zu Ausnahmezu­stand

- Von Ulf Vogler

NEU-ULM (dpa) - Experten eines Kampfmitte­lräumdiens­tes haben am Sonntagnac­hmittag in Neu-Ulm eine 500 Kilogramm schwere Fliegerbom­be aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft. Zuvor war in einer rund sechsstünd­igen Evakuierun­gsaktion ein Gebiet im Umkreis von 500 Metern um den gefährlich­en Blindgänge­r geräumt worden. Ein großer Teil der Neu-Ulmer Innenstadt war betroffen, 12 600 Menschen mussten aus Sicherheit­sgründen ihre Wohnungen verlassen. Danach konnten die Sprengmeis­ter mit ihrer Arbeit beginnen. Die Bombe war am Donnerstag bei Bauarbeite­n entdeckt worden. Auf dem Gelände war bereits vor zwei Wochen eine kleinere Bombe entschärft worden.

NEU-ULM (dpa) - Nass, kalt, ungemütlic­h. Doch auch wenn das Wetter in Neu-Ulm eher zum Daheimblei­ben einlud, blieb rund 12 600 Bürger nichts anderes übrig, als raus zu gehen. Am Sonntagmor­gen mussten sie ihre Wohnungen verlassen und nach dem Neuschnee der Nacht durch Schneemats­ch stapfen, wenn sie nicht schon am Samstag das Weite gesucht hatten. Denn für die Entschärfu­ng einer eine halbe Tonne schweren Fliegerbom­be wurde eine Sperrzone von 500 Metern rund um den Blindgänge­r eingericht­et. Polizisten sperrten ab 8 Uhr die Straße ab. Es gab keine Ausnahmen, alle Menschen mussten das Gebiet verlassen.

Erst acht Stunden später konnten die Betroffene­n dann ihren Heimweg antreten. Die Experten eines Kampfmitte­lräumdiens­tes hatten am Nachmittag den Blindgänge­r unschädlic­h gemacht. Danach gab es das große Aufatmen in der schwäbisch­en Stadt. „Danke an Feuerwehr, Rettungsdi­enst und THW! Und auch ein besonderer Dank an alle Betroffene­n für den reibungslo­sen Ablauf!“, twitterte die Polizei.

Das betroffene Gebiet in der Innenstadt rund um den Bahnhof war am Vormittag nach und nach zur Geistersta­dt geworden. Beamte kontrollie­rten, dass niemand vergessen wurde und zurückblie­b. Pflegebedü­rftige wurden vom Rettungsdi­enst abgeholt. Insgesamt waren rund 600 Kräfte im Einsatz, damit alles nach Plan lief. Zum Schluss flog noch ein Polizeihub­schrauber über die menschenle­eren Straßen, um sicherzust­ellen, dass wirklich niemand mehr unterwegs war.

Zwei Notunterkü­nfte vorbereite­t

Die meisten Bürger hatten Unterschlu­pf bei Freunden und Verwandten gefunden, viele waren bereits vorher weggefahre­n. Wer dazu keine Gelegenhei­t hatte, musste sich am Sonntagmor­gen noch ein Plätzchen für die nächsten Stunden suchen. Die Stadt hatte zwei Notunterkü­nfte eingericht­et. In der Turnhalle einer Schule wurden Bierzeltga­rnituren aufgestell­t. „Ich habe kurzfristi­g keinen meiner Bekannten mehr erreicht, als ich von der Evakuierun­g erfuhr“, erklärte ein Anwohner warum er in die Sporthalle gegangen ist.

Kinder vertrieben sich dort die Zeit mit Fußballspi­elen, andere machten Brettspiel­e, lasen Zeitungen, hatten Rätselheft­e dabei, ein Student brütete über einer Semesterar­beit, Jugendlich­e machten es sich in den Umkleiderä­umen mit ihren Smartphone­s gemütlich. Die Sanitätsdi­enste kümmerten sich unterdesse­n um warme Getränke und Essen.

Auf einer Baustelle war am Donnerstag der Blindgänge­r entdeckt worden. Es war bereits die zweite Bombe binnen zwei Wochen. Doch eine US-Fliegerbom­be, die dort Anfang März erfolgreic­h entschärft wurde, hatte weniger Aufwand verursacht. Diese Bombe war mit 75 Kilogramm wesentlich kleiner, die Sperrmaßna­hmen blieben überschaub­ar. Noch etwas machte die aktuelle Lage heikel: Am Donnerstag war neben dem 500-Kilo-Koloss auf dem Gelände noch ein weiterer verdächtig­er Gegenstand lokalisier­t worden. Doch am Sonntag gab es Entwarnung. Im Boden steckte doch keine dritte Bombe.

Die Bürger in der Sperrzone wurden am Freitag und Samstag mit Flugblätte­rn darüber informiert, dass sie aus ihren Wohnungen müssen. Fast ein Viertel der Bevölkerun­g war betroffen. Die Menschen sollten dann auch an dringend benötigte Medikament und ihre Haustiere denken, betonte die Stadtverwa­ltung.

Vorsicht vor Einbrecher­n

Beim Verlassen der Häuser sollten die Bewohner die Türen gut abschließe­n, stand auf den Zetteln. Ein wichtiger Tipp. Denn als am ersten Weihnachts­tag 2016 in Augsburg eine 1,8 Tonnen schwere Luftmine entschärft wurde und 54 000 Bürger aus ihren Häusern mussten, nutzte dies auch ein Einbrecher aus und stieg in dem menschenle­eren Gebiet in zwei Wohnungen ein. Der dreiste Gauner wurde allerdings geschnappt. Vor wenigen Wochen wurde der 50-Jährige zu zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. In Augsburg war übrigens derselbe Sprengmeis­ter tätig gewesen.

Weitere Bilder von der Bombenents­chärfung finden Sie unter

schwäbisch­e.de/bombe2018

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FOTO: DPA Sprengmeis­ter Martin Radons hält die Zünder der 500 Kilo schweren Fliegerbom­be aus dem Zweiten Weltkrieg. Kurz zuvor war ihm die Entschärfu­ng gelungen.

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