Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Enthusiasm­us ist verflogen

- Von Klaus-Helge Donath politik@schwaebisc­he.de

Große Überraschu­ngen sind ausgeblieb­en. Der alte russische Präsident ist auch der neue. Wladimir Putin darf bis 2024 weiterregi­eren. Das war absehbar. Im Vorfeld hat der Kreml die Alternativ­en bereits aussortier­t. Selbst die handverles­enen Rivalen wurden mit Schmutzkam­pagnen überzogen.

Aber es läuft nicht mehr so rund in Putins Land. Die Wirtschaft stagniert, die Realeinkom­men sind in vier Jahren um 15 Prozent gefallen. Der Deal zwischen Kreml und Volk – politische Macht gegen Wohlstands­garantie – ist ins Stocken geraten. Die russische Führung flüchtet sich in den Traditiona­lismus und erklärt sich zur Gegenwelt des Westens. Damit will Putin auch darüber hinwegtäus­chen, dass sein Land am Ende eines extensiven Wirtschaft­szyklus angelangt ist. Er hat es verpasst, die Ökonomie zu diversifiz­ieren. Nun stottert der Motor. Aber anstatt diese Probleme anzugehen, demonstrie­rt der Kremlchef Stärke nach außen und setzt auf Aufrüstung. Das sind die Instrument­arien, die Russland in solchen Phasen des Stillstand­s nutzt.

Putin packt das Volk beim Stolz: Die anderen nehmen uns nicht ernst, so werden wir es ihnen zeigen, suggeriert er. Der Streit mit Großbritan­nien, die Vergiftung des Doppelagen­ten Skripal, der Syrienkrie­g werden dafür instrument­alisiert. Der Enthusiasm­us von früher ist jedoch nicht mehr in der Bevölkerun­g zu spüren. Viele Russen sind verunsiche­rt – und nach 18 Jahren Putin ist ein Gefühl zurückgeke­hrt, das in der sowjetisch­en Zeit allseits präsent war: die Angst.

Nach außen hin sieht aber alles aus wie vorher. Putin lässt sich für seinen Sieg huldigen. Am 19. März beginnt seine letzte Amtszeit. Wird er die Verfassung ändern, um weiterregi­eren zu können? Wird er einen Ersatzmann für 2024 bis 2030 suchen wie einst mit Dmitri Medwedew? Sollte der Kremlchef echte Wahlen zulassen, wenn er und sein Umfeld Sicherheit­sgarantien erhalten? Fragen, die von heute an in den Vordergrun­d drängen und Russland mehr verändern dürften als die vergangene­n zehn Jahre.

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