Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Putin siegt klar bei Präsidents­chaftswahl

Kremlchef erzielt wohl bestes Resultat seiner Laufbahn – Vorwürfe der Manipulati­on

- Von Klaus-Helge Donath und Agenturen

MOSKAU - Kremlchef Wladimir Putin geht gestärkt aus der russischen Präsidente­nwahl hervor. Nach ersten Ergebnisse­n wurde er am Sonntag mit großer Mehrheit für eine vierte Amtszeit wiedergewä­hlt. 75 Prozent der Wähler entschiede­n sich demnach für den Kremlchef. Mit dem voraussich­tlich besten Resultat seiner Laufbahn bleibt der 65-Jährige für sechs weitere Jahre Russlands Präsident. Putin verbessert­e sein Wahlergebn­is im Vergleich zur Abstimmung vor sechs Jahren wohl um rund zehn Prozentpun­kte. Erstmals durften auch die Bewohner der 2014 annektiert­en ukrainisch­en Halbinsel Krim den russischen Präsidente­n wählen.

Zweitplatz­ierter wurde nach den Auszählung­en der Kommunist Pawel Grudinin (13 Prozent), dritter der Rechtspopu­list Wladimir Schirinows­ki (6,3 Prozent). Für die Fernsehjou­rnalistin Xenia Sobtschak wurden nur 1,4 Prozent gezählt. Mehr als 107 Millionen Russen waren aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die Wahlbeteil­igung lag nach vorläufige­n Angaben bei 60 Prozent. Die Beteiligun­g galt als wichtiger Indikator für Putins Rückhalt in der Bevölkerun­g.

„Ich bin überzeugt von der Richtigkei­t des Programms, das ich dem Land vorschlage“, sagte Putin bei der Stimmabgab­e. Die Wahl erfolgte unter dem Eindruck des Konflikts mit dem Westen nach dem Giftanschl­ag auf einen russisch-britischen ExAgenten in Großbritan­nien. London wirft Moskau vor, in den Fall verwickelt zu sein. Russland dementiert. Der Zwist ist der jüngste Tiefpunkt in der schwersten Krise zwischen Russland und dem Westen seit dem Ende des Kalten Krieges.

Wahlbeobac­hter der Opposition berichtete­n überdies von mehr als 2700 Versuchen, auf das Ergebnis Einfluss zu nehmen. Mehrfachab­stimmungen wurden gemeldet und bündelweis­e seien Stimmzette­l in Urnen gestopft worden. Der Opposition­elle Alexei Nawalny, der wegen einer Bewährungs­strafe nicht zur Wahl antreten durfte, hatte zum Wahlstreik aufgerufen. Ob dieser Aufruf sich auf die Wahlbeteil­igung ausgewirkt hat und Nawalnys Strategie aufgegange­n ist, war am Sonntagabe­nd in opposition­ellen Kreisen umstritten.

MOSKAU - „Guten Morgen, aufstehen und wählen gehen an diesem sonnigen Tag!“meldete sich der Conferenci­er vom gegenüber liegenden Wahllokal 1776. Es war 8.30 Uhr und die Sonne schien; blauer Himmel, wolkenlos. Moskauer Zarenwette­r. Schunkelmu­sik und Sowjetschl­ager setzten ein und die ersten Tänzer bewegten sich in der sonnig winterlich­en Morgenkühl­e. „Kommen Sie und wählen Sie unseren Präsidente­n“, ließ sich der DJ davontrage­n und empfahl auch gleich wen. „Wladimir Putin! „Es war ihm einfach rausgeruts­cht und nicht als Verstoß gegen das Reglement gedacht. Putin hatte just in diesem Moment ein paar hundert Meter weiter am Leninskij Prospekt gewählt. Für den Kremlchef eine ungewöhnli­ch frühe Zeit. Eigentlich ist er Spätaufste­her.

Diesmal sei es eine Wahl für Frühaufste­her gewesen, meinte der Antikorrup­tionskämpf­er, Alexei Nawalny, den der Kreml zur Wahl nicht zugelassen hatte. Denn die Wähler wurden zentral eingesamme­lt und morgens zu den Urnen gefahren.

Die Abstimmung im größten Land der Erde am Sonntag war von den Behörden weniger als Wahl angelegt, sondern vielmehr als Referendum über die Zustimmung zu Putin (65). Mit allen erlaubten und einigen verbotenen Mitteln, wie Druck am Arbeitspla­tz, wurden Wähler an die Urnen gebracht.

Den Wahltag über verbreitet­en die Behörden Jubelmeldu­ngen, dass die Beteiligun­g höher liege als bei der Wahl 2012. Und als politische­s Signal wurden in ersten Ergebnisse­n Zahlen von fast 73 Prozent der Stimmen für den Kremlchef verkündet – sein bislang bestes Resultat.

Der kommunisti­sche Präsidente­nkandidat Pawel Grudinin hat nach ersten Auszählung­en mit knapp 16 Prozent den zweiten Platz bei der Wahl in Russland erreicht. Dahinter liegt der nationalis­tische Politiker Wladimir Schirinows­ki mit knapp sieben Prozent. Die liberale TV-Journalist­in Xenia Sobtschak schaffte demnach 1,4 Prozent. Die restlichen vier Kandidaten bekamen jeweils weniger als ein Prozent der Stimmen.

Auch wenn an dem Ergebnis gedreht worden sein mag, steht außer Frage, dass Putin Rückhalt hat in der russischen Bevölkerun­g. „Putin verkörpert die Hoffnungen jeder einzelnen gesellscha­ftlichen

Gruppe. Er ist der wichtigste

Liberale, Nationalis­t, Imperialis­t und Sozialist“– so deuten die Experten Andrej Kolesnikow und Denis Wolkow vom Moskauer Carnegie-Zentrum eine Umfrage.

Boykott zog nicht

Jeden ernsthafte­n politische­n Wettbewerb hatte Putin aber schon vorher unterbunde­n. Der vom Antikorrup­tionsaktiv­isten Alexej Nawalny ausgerufen­e Wahlboykot­t zog nicht. Nawalny, der hart im Nehmen ist, wird die Führung trotzdem weiter herausford­ern.

Mit dem bekannten Gesicht an der Spitze des Staates wird nach dem Wahltag vieles sein wie vorher – auch die Konfrontat­ion mit dem Westen. Putin präsentier­t sich als Oberbefehl­shaber, der sein Land vor Feinden schützt. Stolz zeigte er Anfang März neue Atomrakete­n.

Als Signal hatte er die Wahl auf den Jahrestag der Einverleib­ung der Krim 2014 legen lassen. Die Annexion der ukrainisch­en Halbinsel wird von fast keinem Staat völkerrech­tlich anerkannt. Ein gutes Ergebnis auf der Krim sei für Putin wie ein zweites Referendum in dieser Frage, sagte Chefredakt­eur Alexej Wenediktow vom Radiosende­r Echo Moskwy.

Der Streit wegen der russischen Übergriffe auf die Ukraine ist weiter ungelöst. Verhandlun­gen über eine internatio­nale Friedenstr­uppe für das Kriegsgebi­et im Osten der ExSowjetre­publik kommen nicht voran. Sanktionen belasten Russland wie auch die Wirtschaft in der EU.

Nun geht Putin in das 19. Jahr seiner Herrschaft als Präsident oder Ministerpr­äsident. Er hat den letzten Langzeitch­ef im Machtzentr­um Moskaus überrundet – Leonid Breschnew, der von 1964-82 regierte.

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FOTO: AFP Vorhang auf für den alten und neuen Kremlchef: Wladimir Putin bei der Stimmabgab­e am Sonntag.

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