Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Spahn provoziert erneut
Minister äußert sich zu Schwangerschaftsabbrüchen
BERLIN (dpa) - Gesundheitsminister Jens Spahn hat neuen Unmut in der Großen Koalition provoziert. Zu Bestrebungen der SPD, das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche abzuschaffen, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“, ihn wunderten die Maßstäbe: „Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos.“Es werde gar nicht mehr berücksichtigt, „dass es um ungeborenes menschliches Leben geht“. Justizministerin Katarina Barley (SPD) sagte dazu: „Ich verlasse mich auf das Wort der Kanzlerin, die zugesagt hat, eine gute Lösung für alle Beteiligten zu finden.“Es gehe nicht um Werbung, sondern um Information. Die Fraktionschefs von Union und SPD hatten sich verständigt, dass die Regierung einen Vorschlag vorlegen soll. Die SPD zog deshalb einen Antrag für ein Aus des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche zurück.
BERLIN (dpa) - Wenn der Bundespräsident an diesem Montag die letzte Station seiner Deutschlandreise durch alle Bundesländer ansteuert, dann hat er den Plan für das erste Jahr im Amt erfüllt. Am 19. März 2017 trat Frank-Walter Steinmeier die Nachfolge von Joachim Gauck an. Es war ein Jahr, das ganz anders verlief als erwartet. Schuld waren die Ereignisse nach der Bundestagswahl.
„Wir müssen über Demokratie nicht nur reden – wir müssen wieder lernen, für sie zu streiten“, hatte Steinmeier in seiner Antrittsrede gesagt. Der ehemalige SPD-Außenminister wollte von Anfang an als Staatsoberhaupt eher innenpolitische Schwerpunkte setzen.
Es war der 20. November 2017. Die Sondierungen von Union, FDP und Grünen über eine Jamaika-Koalition waren gerade geplatzt, da trat Steinmeier im Berliner Schloss Bellevue vor die Kameras. Die zentrale Passage seiner kurzen Ansprache: „Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält.“Dieser Appell war natürlich an alle gerichtet, aber die SPD musste sich besonders angesprochen fühlen.
Noch einmal vier Monate dauerte es, bis die Neuauflage der Großen Koalition an den Start ging. Es war wesentlich Steinmeiers Verdienst, und wer den Bundespräsidenten bisher eher für einen machtlosen Ersatz-Monarchen gehalten hatte, musste diese Einschätzung revidieren. Am vergangenen Mittwoch konnte Steinmeier der neuen Regierung unter Angela Merkel die Ernennungsurkunden überreichen, und er ergriff noch einmal das Wort.
Während weniger Minuten redet er der neuen GroKo ins Gewissen. „Die Regierung ist gut beraten, genau hinzuhören und hinzuschauen, auch auf die alltäglichen Konflikte im Land – fern der Weltpolitik, wo Gewissheiten geschwunden sind und das Leben schwieriger geworden ist.“Genau hinschauen, wenn es um Gerechtigkeit geht, um Flüchtlingspolitik und Migration, Integration und Heimat. „Über all das brauchen wir ehrliche Debatten“, sagt Steinmeier. Aber auch international haben die Unsicherheiten dramatisch zugenommen, stellt er fest. In der Weltpolitik gelte ein „Jeder gegen Jeden“, kritisiert er und meint damit auch die Drohungen von US-Präsident Donald Trump mit Strafzöllen. „Und auch in Teilen Europas werden mit Abschottung, Nationalismus und Kompromisslosigkeit Wahlen gewonnen“, fügt er hinzu.
Es ist davon auszugehen, dass nach der Regierungsbildung für Steinmeier nun auch die Außenpolitik wieder stärker in den Vordergrund rückt. Denn das internationale Geschäft macht ihm natürlich immer noch Spaß, ob in Israel, in Russland oder zuletzt in Südkorea, wo der Konflikt mit dem kommunistischen Norden die Agenda bestimmt.
Diplomatisches Kalkül ist in acht Jahren als Außenminister zu seiner Natur geworden. Steinmeier referiert, wägt ab, vermittelt, plädiert für das Offenhalten von Gesprächskanälen. Eine Reise in die USA könnte bald folgen, ob es ein Treffen mit USPräsident Donald Trump gibt, den er während des US-Wahlkampfs 2016 als „Hassprediger“bezeichnet hatte, ist derzeit nicht vorhersehbar. Gut möglich, dass Steinmeier noch einmal in seiner ersten Amtszeit bis Frühjahr 2022 als Krisenmanager und Regierungsbilder gefordert wird. Sollte Merkels vierte Regierung regulär mit der Bundestagswahl 2021 zu Ende gehen, fallen die Gespräche über eine neue Koalition noch in die erste Amtszeit des Staatsoberhaupts.