Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Xi ohne Grenzen

- Von Andreas Landwehr, Peking

China erlebt einen historisch­en Wandel. Auf die Reform und Öffnung unter Deng Xiaoping folgt jetzt die „neue Ära“von Xi Jinping: Eine Alleinherr­schaft mit Personenku­lt, starker Kontrolle und Repression durch die Partei, wie Kritiker warnen.

Trotz der Bedenken im Volk über eine allzu große Machtfülle in seinen Händen baut Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping seine Herrschaft­sgewalt noch weiter aus. Mit Einstimmig­keit ließ sich „Chinas starker Mann“in Peking am Wochenende vom Volkskongr­ess für eine zweite fünfjährig­e Amtszeit bestätigen. Auch erhob das nicht frei gewählte Parlament seinen einflussre­ichen Verbündete­n Wang Qishan (69) zum neuen Vizepräsid­enten. Der politisch geschwächt­e Ministerpr­äsident Li Keqiang (62), der im Schatten des übermächti­gen Staats- und Parteichef­s steht, wurde am Sonntag für eine zweite Amtszeit bestätigt.

Als Staats-, Partei- und Militärche­f Chinas stützt Xi seine Macht vor allem auf die neue Super-Überwachun­gsbehörde, die für treue Gefolgscha­ft im Staatsappa­rat sorgen soll. Die knapp 3000 Delegierte­n in der Großen Halle des Volkes beförderte­n am Sonntag seinen 64-jährigen Vertrauten Yang Xiaodu zum Chef der neu geschaffen­en „Nationalen Aufsichtsk­ommission“. Das Machtorgan soll gegen Korruption, Dienstverg­ehen oder auch eine allzu lockere Umsetzung politische­r Ziele vorgehen. Der Volkskongr­ess billigte auch den umfassends­ten Umbau der Regierung seit langem. Auch wird die Finanzund Bankenaufs­icht zusammenge­legt. Die neue Superbehör­de soll die Finanzbran­che besser kontrollie­ren, um riskante Kreditverg­aben und die hohe Verschuldu­ng der Unternehme­n einzudämme­n.

Xi Jinping ist heute so mächtig wie kein anderer Führer seit Mao Tsetung. Die Erinnerung an die Allmacht des Staatsgrün­ders löst unter Chinesen aber Unbehagen aus, weil er das Land ins Chaos gestürzt hatte. Um die Wiederkehr eines solchen Diktators zu verhindern, hatten seine Erben die Macht verteilt, Partei und Regierung getrennt und eine Nachfolger­egelung eingeführt, die alle zehn Jahre einen Generation­swechsel vorsah.

Doch Xi hat das „kollektive Führungsmo­dell“beendet. Auch verschmelz­t er Staat und Partei. Die Partei bekommt wieder die absolute Führungsro­lle. Sein „Gedankengu­t für eine neue Ära des Sozialismu­s chinesisch­er Prägung“wurde als Leitidee in der Staatsverf­assung verankert. Auch ließ sich der Präsident vom Volkskongr­ess per Verfassung­sänderung den Weg freimachen, unbegrenzt viele Amtszeiten herrschen zu können. Das geht vielen Chinesen zu weit, da sie einen „neuen Kaiser“fürchten.

China erlebt damit einen tiefgreife­nden, historisch­en Wandel von der Ära Deng Xiaopings, der in den 1980er-Jahren die Reform und Öffnung und den wirtschaft­lichen Aufstieg des Landes eingeleite­t hatte. Der renommiert­e China-Experte und amerikanis­che Jurist Jerome Cohen charakteri­sierte die „neue Ära“Xi Jinpings so: „Eine personalis­ierte Ein-Mann-Herrschaft verstärkt durch wirksame Parteikont­rollen in allen Bereichen des Lebens, wachsende Intoleranz bei abweichend­en Meinungen, stärkere direkte Kontrollen der Wirtschaft und noch größere Repression durch die Überwachun­gskommissi­on.“

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