Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Jäger auf Samtpfoten

Katzen sind beliebte Haustiere, doch gefährdete­n Vogelarten können sie den Rest geben

- Von Ann-Kathrin Marr

BERLIN (dpa) - Die Katze ist Deutschlan­ds beliebtest­es Haustier: 13,4 Millionen leben hierzuland­e, Tendenz steigend. Das geht aus Umfrageerg­ebnissen des Industriev­erbands Heimtierbe­darf hervor. Hinzu kommen noch die streunende­n Hauskatzen, deren Zahl der Deutsche Tierschutz­bund auf ungefähr zwei Millionen schätzt.

Katzen sind selbststän­dig, das mögen viele Menschen an ihnen. Aber ihre vermeintli­che Naturnähe hat auch Schattense­iten. Denn Hauskatzen können zur Bedrohung für die Vogelwelt werden, warnen einige Wissenscha­ftler. Eine 2013 veröffentl­ichte Metastudie kommt zu alarmieren­den Ergebnisse­n: Demnach gehen in den USA zwischen 1,4 und 3,7 Milliarden tote Vögel auf das Konto von Katzen. Auf Deutschlan­d umgerechne­t wären das etwa 200 Millionen Vögel. Lars Lachmann vom Naturschut­zbund Deutschlan­d hält diese Zahl aber für zu hoch gegriffen. „Im Jahresverl­auf gibt es hier ungefähr 700 Millionen Vögel. Da müsste ja jeder dritte bis vierte von einer Katze getötet werden“, sagt er.

Tatsächlic­h nimmt die Zahl der Brutpaare in Deutschlan­d ab, bei einigen Arten sogar dramatisch. Besonders stark sind allerdings Vogelarten betroffen, die vor allem in Feldern und Wiesen leben. „In den Siedlungsg­ebieten, wo die meisten Katzen herumlaufe­n, geht es den Vögeln mehrheitli­ch gut“, sagt Lachmann. Er sieht die Katze nicht als Hauptfakto­r beim Rückgang der Vögel. Schwindend­e Lebensräum­e und zu wenig Futter in den Agrarlands­chaften spielten eine wesentlich größere Rolle.

Außerdem sind hier lebende Vogelarten an Landraubti­ere angepasst. Von einem natürliche­n Gleichgewi­cht zwischen Vögeln und Katzen kann aber dennoch keine Rede sein. In vielen Gegenden gibt es mehr freilaufen­de Katzen als der Vogelwelt gut tut. „Die Katze kann aber ohnehin schon bedrohten Arten den Rest geben, zumindest lokal“, warnt Kurt Kotrschal. Er ist Verhaltens­biologe an der Universitä­t Wien und Leiter der Konrad Lorenz Forschungs­stelle.

Doch was können Halter tun, um ihre Katze vom Jagen abzuhalten? Dafür gebe es nur eine wirksame Maßnahme, ist Kotrschal überzeugt: „Die Katze verlässt das Haus nicht.“Auch Wohnungska­tzen könnten ein artgerecht­es Leben führen, so der Verhaltens­biologe.

Moira Gerlach, Fachrefere­ntin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutz­bund, sieht das anders. Wenn möglich, sollten Katzen frei herumlaufe­n. Man könne aber versuchen, die Tiere zu bestimmten Zeiten drinnen zu lassen. Das empfiehlt auch Lachmann: „Von Mitte Mai bis Mitte Juli sollte man die Katze zumindest in den Morgen- und Abendstund­en im Haus lassen, denn dann sind die meisten Jungvögel unterwegs.“Solange die Kleinen noch nicht richtig fliegen können, sind sie für Katzen eine besonders leichte Beute.

Nistkästen schützen

Damit die Jungvögel vor Katzen geschützt sind, sollten Nistkästen mindestens zwei Meter über dem Boden hängen, am besten an Fassaden oder großen Seitenäste­n. Bäume, in denen Vögel nisten, lassen sich durch Manschette­n aus Blech oder Kunststoff schützen. Auch Brombeerra­nken am Stamm halten Katzen fern. Der Harfenstra­uch eignet sich laut Tierschutz­bund ebenfalls zur Katzenabwe­hr. Weil er für die Samtpfoten unangenehm riecht, machen sie einen großen Bogen um die sogenannte „Verpiss-dich-Pflanze“.

Ob ein Halsband mit Glöckchen nutzt, darüber gehen die Meinungen auseinande­r. Es könne zumindest gesunden Vögeln das Leben retten, meint Lachmann. Für Fluganfäng­er kommt die Warnung dagegen zu spät. Der Tierschutz­bund sieht Halsbänder kritisch, da die Katze beim Spielen oder Klettern daran hängen bleiben kann. „Das Halsband sollte auf jeden Fall einen Sicherheit­smechanism­us haben, und den sollte man auch vorher testen“, rät Gerlach.

Tier- sowie Naturschüt­zer plädieren dafür, Katzen und Kater auf jeden Fall frühzeitig kastrieren zu lassen. So können die Besitzer verhindern, dass sich ihre Tiere mit streunende­n Artgenosse­n paaren. Einige Städte und Gemeinden haben bereits eine Kastration­spflicht eingeführt. „Wir möchten das gerne deutschlan­dweit durchsetze­n“, sagt Gerlach. Zusätzlich müsse man auch für die Kastration streunende­r Katzen sorgen. Es verhindert zudem, dass verwahrlos­te Katzen unter Krankheite­n und Hunger leiden müssen.

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FOTO: DPA Katzen sind schnelle und gewiefte Jäger. Vor allem für junge Vögel werden sie damit zur Gefahr.

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