Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Viel mehr als Irish Folk
Die No Crows brillieren in der Zehntscheuer
RAVENSBURG - Mit Irish Folk ist das ja so eine Sache: Kann man lieben oder hassen, und eine gewiss nicht kleine Minderheit erträgt es mit ein paar Guinness. Das irische Nationalgetränk gab es zwar nicht in der gut gefüllten Zehntscheuer, aber auch so hatten die Zuschauer einen richtig tollen Abend.
Die No Crows nehmen es mit der irischen Tradition nämlich nicht allzu genau – das liegt auch an der Sängerin und Cellistin Anna Houston. Sehr schade also auf den ersten Blick, dass diese krankheitsbedingt das Ravensburger Konzert ausfallen lassen musste. Auf den zweiten Blick aber gar nicht so tragisch, denn die verbliebenen fünf Musiker rissen das Publikum von der ersten Minute an mit.
Sie begannen irisch-traditionell, doch schon im zweiten Stück wurde die stilübergreifende und global ausgerichtete Haltung der Band deutlich, wenn sie mit Klezmer-Anklängen arbeiten. Das war nicht der einzige Ausflug in andere Gefilde: Gitarrist Felip Carbonell stammt aus Mallorca und brillierte mit Liedern aus seiner Heimat. Auch hierbei ließ sich die Band Raum für Improvisationen – ziemlich jazzig klang das manchmal. Man warf sich die musikalischen Bälle hin und her; und auf der Bühne hatte man ebenso viel Freude wie im Publikum.
Die No Crows verstehen sich als „Folk Orchester“, auch das ist bei der Herkunft der Musiker nachvollziehbar. Ihre derzeitige Heimat haben fast alle in Sligo an der Nordwestküste Irlands, wo die Natur sehr schön, aber sonst nicht viel los ist – das muss man schon selber machen: Die Band spielt regelmäßig in Pubs, die Musiker unterrichten an einer eigens gegründeten Akademie. Der Kontrabassist Eddie Lee kommt aus Sligo, ebenso wie Ray Coen an Gitarre und Geige. Beide bilden häufig das rhythmische Fundament der No Crows.
Ein Virtuose ersten Ranges ist Oleg Ponomarev. Zehn Jahre war er mit der russischen Gypsy-Band Loyko unterwegs: Er erzählt eine lustige Geschichte über den stilbildenden Jazz-Geiger Joe Venuti. Und wie dieser lockert er das Bogenhaar vom Bogen, führt den Bogenstab unter der Geige und kann so mehrere Töne gleichzeitig spielen.
Schließlich Steve Wickham: Seit er in der Band ist, geht es in Sachen Popularität steil bergauf. Der weltbekannte Fiddler hat schon mit U2 getourt, spielt bei den Waterboys und ist ein gefragter Session-Musiker. Wickham erweist sich auch als grandioser Sänger: In seinem Stück „Pascal“über einen Clochard in Paris singt er sogar Französisch. Wobei seine Stimme fast so kaputt wie die von Tom Waits klingt! Die „Irish World Folk“-Band lieferte ein tolles Konzert. So konnte man genüsslich in die Nacht zum St. Patrick’s Day starten.