Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Held, mit dem keiner rechnen konnte
Häfler schlagen Berlin auch in der Volleyball-Bundesliga – Späth-Westerholt bester Mann
FRIEDRICHSHAFEN - Einen gewonnen Punkt in der Volleyball-Bundesliga hatte Thilo Späth-Westerholt vor Sonntag, 14.30 Uhr, in seiner persönlichen Saisonstatistik stehen. Der 30-Jährige hat seine Stärken auf dem Parkett normalerweise eher in der Defensive. Wenn er denn mal aufs Parkett darf. Thilo Spät-Westerholt, im Hauptberuf bei der Sparkasse Bodensee angestellt, ist beim VfB normalerweise eher in zweiter Reihe tätig, als Kaderabrundungsspieler und Gutelaunemacher.
Wenn er spielt, dann meist nur für einige Minuten, um die Annahme zu stabilisieren oder um Libero Markus Steuerwald verschnaufen zu lassen. Am Sonntag, im Spitzenspiel der Bundesliga gegen die Volleys Berlin und Ex-Trainer Stelian Moculescu, durfte Späth-Westerholt von der ersten Minute an spielen. Nach dem unterhaltsamen 3:1 (22:25, 27:25, 25:23, 25:22) hatte Späth-Westerholt 16 Punkte in seiner persönlichen Saisonstatistik stehen.
Thilo Späth-Westerholt, einer dieser eher selten besungenen Akteure, ohne die eine Mannschaft aber nicht erfolgreich sein kann, war der Held des Nachmittags. Er machte gegen seinen Ex-Trainer, der einst beim VfB Friedrichshafen seine Rolle quasi erfunden hatte, wohl das Spiel seines Lebens. „Thiloooooo“, riefen die Zuschauer in der mit 3382 Zuschauern voll besetzten ZF-Arena erstmals Ende des zweiten Satzes, als SpäthWesterholt erst mit etwas Glück und Hilfe der Netzstange das 25:24 für den VfB Friedrichshafen und dann mit einem unwiderstehlichen Einzelblock das 27:25 zum Satzgewinn machte.
„Thilo! Thilo! Thilo“, riefen die Fans fortan bei jeder Ballberührung des dienstältesten Häflers, der spätestens am Sonntag den Beweis dafür erbracht hat, dass selbst auf diesem höchsten Niveau ein ordentliches Berufsleben neben dem Profisport möglich ist und außerdem, dass auch Banker Vollbart tragen können. „War ich wirklich so gut? Na ja, es hat vieles ganz gut geklappt. Die anderen gaben ihre Sache aber auch ganz gut gemacht“, sagte der Held des Nachmittags später bescheiden, als der 33.Sieg im 33. Saisonspiel für den VfB unter Dach und Fach war.
„Normalerweise bin ich eher dafür verantwortlich, die Annahme stabil zu machen, wenn ich reinkomme. Wenn du für Kurzeinsätze reinkommst, ist meist die erste Aktion entscheidend“, sagte Späth-Westerholt. Am Sonntag klappte seine erste Aktion, es war überhaupt die erste des Spiels, ein Aufschlag. Und auch danach klappte irgendwie alles. „Du beißt dich Punkt für Punkt ins Spiel rein. Und wenn du dann drin bist, dann gelingen dir auch wichtige Punkte“, erklärte er.
Und so bescherte der VfB Friedrichshafen seinem früheren Meistermacher Moculescu, der sehr freundlich empfangen wurde, eine Pleite bei seiner erstmaligen Rückkehr in die ZF-Arena. Die zweite hintereinander. Die mögliche dritte diesen Donnerstag würde das Ausscheiden des amtierenden Meisters in der Champions League bedeuten.
Die Häfler Siegesserie geht also weiter – und das, obwohl Trainer Vital Heynen viel dafür gemacht hatte, sie enden zu lassen. Er hatte ja nicht nur Späth-Westerholt zu einer unerwarteten Hauptrolle verholfen („Ich war ein bisschen gemein zu ihm und habe ihm gestern im Training gesagt, sich ein paar Bälle zu schnappen und Angriffe zu üben“, so Heynen), sondern generell eine Mannschaft aufs Parkett geschickt, die so noch nie zusammengespielt hatte.
„Ich habe mit einer Niederlage gerechnet. Vor dem Spiel habe ich sogar einigen im VIP-Raum gesagt, dass das hier in einer Stunde vorbei sein könnte, wenn Stelian Moculescu hier seine besten Spieler bringt.“Er hatte die Rechnung ohne seine Mannschaft gemacht.