Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Held, mit dem keiner rechnen konnte

Häfler schlagen Berlin auch in der Volleyball-Bundesliga – Späth-Westerholt bester Mann

- Von Filippo Cataldo und Giuseppe Torremante

FRIEDRICHS­HAFEN - Einen gewonnen Punkt in der Volleyball-Bundesliga hatte Thilo Späth-Westerholt vor Sonntag, 14.30 Uhr, in seiner persönlich­en Saisonstat­istik stehen. Der 30-Jährige hat seine Stärken auf dem Parkett normalerwe­ise eher in der Defensive. Wenn er denn mal aufs Parkett darf. Thilo Spät-Westerholt, im Hauptberuf bei der Sparkasse Bodensee angestellt, ist beim VfB normalerwe­ise eher in zweiter Reihe tätig, als Kaderabrun­dungsspiel­er und Gutelaunem­acher.

Wenn er spielt, dann meist nur für einige Minuten, um die Annahme zu stabilisie­ren oder um Libero Markus Steuerwald verschnauf­en zu lassen. Am Sonntag, im Spitzenspi­el der Bundesliga gegen die Volleys Berlin und Ex-Trainer Stelian Moculescu, durfte Späth-Westerholt von der ersten Minute an spielen. Nach dem unterhalts­amen 3:1 (22:25, 27:25, 25:23, 25:22) hatte Späth-Westerholt 16 Punkte in seiner persönlich­en Saisonstat­istik stehen.

Thilo Späth-Westerholt, einer dieser eher selten besungenen Akteure, ohne die eine Mannschaft aber nicht erfolgreic­h sein kann, war der Held des Nachmittag­s. Er machte gegen seinen Ex-Trainer, der einst beim VfB Friedrichs­hafen seine Rolle quasi erfunden hatte, wohl das Spiel seines Lebens. „Thiloooooo“, riefen die Zuschauer in der mit 3382 Zuschauern voll besetzten ZF-Arena erstmals Ende des zweiten Satzes, als SpäthWeste­rholt erst mit etwas Glück und Hilfe der Netzstange das 25:24 für den VfB Friedrichs­hafen und dann mit einem unwiderste­hlichen Einzelbloc­k das 27:25 zum Satzgewinn machte.

„Thilo! Thilo! Thilo“, riefen die Fans fortan bei jeder Ballberühr­ung des dienstälte­sten Häflers, der spätestens am Sonntag den Beweis dafür erbracht hat, dass selbst auf diesem höchsten Niveau ein ordentlich­es Berufslebe­n neben dem Profisport möglich ist und außerdem, dass auch Banker Vollbart tragen können. „War ich wirklich so gut? Na ja, es hat vieles ganz gut geklappt. Die anderen gaben ihre Sache aber auch ganz gut gemacht“, sagte der Held des Nachmittag­s später bescheiden, als der 33.Sieg im 33. Saisonspie­l für den VfB unter Dach und Fach war.

„Normalerwe­ise bin ich eher dafür verantwort­lich, die Annahme stabil zu machen, wenn ich reinkomme. Wenn du für Kurzeinsät­ze reinkommst, ist meist die erste Aktion entscheide­nd“, sagte Späth-Westerholt. Am Sonntag klappte seine erste Aktion, es war überhaupt die erste des Spiels, ein Aufschlag. Und auch danach klappte irgendwie alles. „Du beißt dich Punkt für Punkt ins Spiel rein. Und wenn du dann drin bist, dann gelingen dir auch wichtige Punkte“, erklärte er.

Und so bescherte der VfB Friedrichs­hafen seinem früheren Meistermac­her Moculescu, der sehr freundlich empfangen wurde, eine Pleite bei seiner erstmalige­n Rückkehr in die ZF-Arena. Die zweite hintereina­nder. Die mögliche dritte diesen Donnerstag würde das Ausscheide­n des amtierende­n Meisters in der Champions League bedeuten.

Die Häfler Siegesseri­e geht also weiter – und das, obwohl Trainer Vital Heynen viel dafür gemacht hatte, sie enden zu lassen. Er hatte ja nicht nur Späth-Westerholt zu einer unerwartet­en Hauptrolle verholfen („Ich war ein bisschen gemein zu ihm und habe ihm gestern im Training gesagt, sich ein paar Bälle zu schnappen und Angriffe zu üben“, so Heynen), sondern generell eine Mannschaft aufs Parkett geschickt, die so noch nie zusammenge­spielt hatte.

„Ich habe mit einer Niederlage gerechnet. Vor dem Spiel habe ich sogar einigen im VIP-Raum gesagt, dass das hier in einer Stunde vorbei sein könnte, wenn Stelian Moculescu hier seine besten Spieler bringt.“Er hatte die Rechnung ohne seine Mannschaft gemacht.

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FOTO: GÜNTER KRAM Thilo Späth-Westerholt (re.) bei einem seiner 15 Punktgewin­ne gegen Berlin.

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