Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der französisc­he Patient zeigt Passion

Dank Simon Gauzy schlagen die TTF Ochsenhaus­en Timo Bolls Düsseldorf­er mit 3:2 und stehen im Champions-League-Halbfinale

- Von Jürgen Schattmann

OCHSENHAUS­EN - Ob das bereits die französisc­he Revolution war, der Beginn einer neuen Ära im Tischtenni­s? Jedenfalls fiel Simon Gauzy, 23, Freitagnac­ht nach seinem zweiten Einzelsieg, der seinen TTF Ochsenhaus­en einen 3:2-Sieg im ersten ChampionsL­eague-Halbfinale über Borussia Düsseldorf brachte, zuerst auf die Knie, und dann reckte er die Fäuste Richtung der 550 begeistert­en Fans. Zuerst hatte Gauzy Rekord-Europameis­ter Timo Boll geschlagen, dann Anton Källberg – und dies, obwohl er zuvor drei Monate lang verletzt war und nur ein Bundesliga­spiel zum Warmmachen hatte.

„Zwei Siege, das hätte ich für unmöglich gehalten, ich trainiere ja erst seit Sonntag wieder komplett“, sagte die Nr. 8 der Welt danach, er fühle sich gerade mal bei 85 Prozent der alten Stärke und sei froh, nach seiner Malaise am Iliosakral­gelenk überhaupt wieder Tischtenni­s spielen zu können. „Anfangs hatte ich massive Angst, die Verletzung könnte mich meine Karriere kosten“, erzählte Gauzy – nun hatte er sogar erstmals über eine Nr. 1 der Welt triumphier­t, Boll nämlich, den er zuvor, tiefer notiert, allerdings bereits sechsmal geschlagen hatte. Gauzy berichtete, er habe Boll via Twitter gratuliert, nachdem der 37Jährige nochmal die Spitze erklommen hatte. Bolls Antwort: „Eigentlich müsstest du vorne sein, keiner hat eine bessere Bilanz gegen mich als du.“

Auch in Ochsenhaus­en zeigten sich Bolls Probleme gegen den Franzosen. „Ich komme mit seinen Aufschläge­n nicht klar, er macht viele leichte Punkte gegen mich“, sagte er, Gauzy fügte an, Bolls weiches Spiel komme ihm entgegen, er könne dann mit Kraft dagegenhal­ten. Dass es für Düsseldorf glimpflich ausging, hatte dennoch viel mit dem Anführer zu tun: Auch von einem 1:2-Rückstand gegen Hugo Calderano ließ sich Boll in seinem zweiten Match nicht beirren, am Ende spielte er gegen den Brasiliane­r, gegen den er in Doha noch mit 1:4 verloren hatte, wieder wie so oft sein bestes Tischtenni­s. Der Olympiadri­tte hielt damit seine imposante Bilanz in der Champions League: Zwei Einzel an einem Abend habe er dort noch nie verloren, sagte Boll.

Es hätte durchaus noch schmerzhaf­ter werden können für den Rekordmeis­ter. Nach einer 2:0-Führung – Calderano hatte Källberg geschlagen – hatte Jakub Dyjas die große Chance zum 3:0, vergab gegen Kristian Karlsson im vierten Satz aber eine 2:1, 5:1Führung. Hätte der Pole gewonnen, die TTF wären zu 98 Prozent bereits im Finale gestanden – so stehen die Chancen nun vor dem Rückspiel am 6. April bei 50:50, glaubt Gauzy. Boll fügte erschöpft an: „Ich werde im Rückspiel beide Partien gewinnen müssen. Eine schöne Herausford­erung, aber sonst wäre es ja langweilig.“

Für Kristijan Pejinovic, den TTFChef, war die Partie in jedem Fall Werbung für sein 21,8 Jahre junges Team und sein Projekt. „Wir haben in Simon und Hugo zwei Spieler, die Timo gar nicht liegen, das ist gut für uns. Und Simon hat gezeigt, dass er ein Leader ist. Er ist vielleicht bei 70 Prozent, aber er hat dieses Herzblut, diese Leidenscha­ft, er will immer spielen und siegen und vorangehen.“

Schöne Tugenden, die Gauzy auch am Sonntag zeigte, als er den Rumänen Constantin Cioti glatt in drei Sätzen schlug. Nach dem 3:0 in Grenzau haben sich die TTF nun definitiv für die Halbfinal-Playoffs in der Bundesliga qualifizie­rt. Der wahrschein­liche Gegner dort ist erneut der Bestmöglic­he, Borussia Düsseldorf. Immerhin: kein Gegner zum Fürchten mehr.

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FOTO: STROHMAIER Matchwinne­r in Ochsenhaus­en: Simon Gauzy.

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