Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Scott Henderson zeigt seine Weltklasse

US-amerikanis­cher Gitarrist und sein Trio haben im Kulturzent­rum Linse in Weingarten gespielt

- Von Babette Caesar

WEINGARTEN - Wer sich nach einem powergelad­enen Weltklasse­Gitarriste­n gesehnt hat, ist am Donnerstag­abend im Kulturzent­rum Linse bei Jazztime Ravensburg voll auf seine Kosten gekommen. Das zweistündi­ge Gastspiel des USamerikan­ischen Musikers Scott Henderson im Trio mit den Franzosen Romain Labaye und Archibald Ligonnière ließ keine Wünsche offen, was das Miteinande­r von Blues, Jazz, Rock und Fusion angeht. Henderson ist alles in einem.

Bescheiden könnte man Scott Hendersons Erscheinun­g in Jeans, T-Shirt und Käppi, unter dem sein wuschelige­s Haar hervorquil­lt, nennen. 1954 in West Palm Beach in Florida geboren, ist er mittlerwei­le 64 Jahre alt, steht seit rund 40 Jahren auf Konzertbüh­nen und scheint an Energie kein bisschen verloren zu haben.

Mittig thront Archibald Ligonnière vor seinem Drumset. Der Franzose ist Jahrgang 1992, lebt seit 2006 in Paris, spielt dort im bekannten Jazzclub „Le Baiser Salé“und tourt mit eigenen Formatione­n. Dritter in der Runde ist Bassist Romain Labaye, der ebenfalls in Paris lebt und seit 2013 Bassist bei Nguyên Lê ist. Gefunden haben sich die drei Musiker 2016 und sind seitdem als Trio in Europa, Asien und den USA unterwegs.

Henderson beherrscht die Technik

„Okay, high everybody!“– so das lockere Welcome von Scott Henderson, der noch um etwas mehr Licht im fast ausverkauf­ten Großen Saal bat und ab da unverdross­en in die Saiten seiner E-Gitarre der Marke Fender Stratocast­er griff. Sie ist flach wie eine Flunder und er beherrscht deren Technik in allen erdenklich­en Lagen, Spielhöhen und Rhythmen. Seine Riffs gehen einem in die Ohren bis an die Schmerzgre­nze.

Sofort ist klar, das ist einer, der in der Jazzrock-Szene der 1970er- und 1980er-Jahre groß geworden ist. Erst als Sideman von Jean-Luc Ponty und Chick Coreas Electric Band, dann von 1987 bis 1999 bei Joe Zawinuls Syndicate. An Zawinul erinnert sich Henderson als den Ersten, bei dem er spielte und der wollte, dass er die Sachen einfach mal laufen ließ. Man konnte jammen und einfach sein Ding machen. Er spricht von der Freiheit, die er als Begleitmus­iker vorher nie hatte. Deshalb mache er das als Bandleader heute auch so. Von diesem Feeling lebte der Konzertabe­nd in der Linse. Keinen nur soften Blues und keinen richtig experiment­ellen Jazz inszeniert­e das Trio. Vielmehr einen explosiven Hype aus allem – aus Rock, Jazz, Blues und Fusion, der aus den Glanzzeite­n von Weather Report, Jimi Hendrix, Miles Davis oder Charlie Parker schöpft.

1984 gründete Henderson zusammen mit dem Bassisten Gary Willis das Projekt „Tribal Tech“, das ihm internatio­nales Renommee verschafft­e. Seit 1994 veröffentl­icht er unter eigenem Namen. Zuletzt 2015 das Album „Vibe Station“, aus dem es auch einige Stücke zu hören gab.

Musikalisc­her Schmelztie­gel

Ihn beim Spiel zu beobachten, wenn er tief gebeugt über das Instrument und vollkommen selbstverg­essen sich als musikalisc­her Schmelztie­gel outet, ist grandios. Ständig unter Strom und doch immer locker gerät er zum Schwerstar­beiter in Dauertranc­e, während Ligonnière und Labaye sehr gelassen für den Rhythmus aus satten Rock- und Bluestribe­s sorgen. Aber nicht nur, denn Henderson gewährt ihnen eben diese Freiheit, eigene Parts zu inszeniere­n. Funky Sound kommt da durch und Themes aus „Birdland“. Nur was bei Henderson poetisch und als leichter Walk beginnt, steigert sich zu furiosen Kaskaden gitarristi­schen Outputs. Wenn er an seinem Stratocast­er wie wild den Vibratoheb­el herumreißt, in einem halsbreche­rischen Tempo das Set anfeuert, wünscht man sich im Stillen, er möge bald den Siedepunkt erreicht haben. Hier hat sich manch ein Besucher vorsorglic­h mit Ohrstöpsel­n eingedeckt.

Unbeeindru­ckt von diesem exorbitant­en Drive gibt sich Scott Henderson. Er ist bei aller Straightne­ss um keinen Joke verlegen: „It´s really commercial except the twenty minutes guitar solo“, lacht er und legt los.

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FOTO: BAC Gitarrist Scott Henderson im Trio mit Archibald Ligonnière und Romain Labaye (von links) bei Jazztime Ravensburg e. V. im Kulturzent­rum Linse.

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