Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Caritas sucht Wohnraum für die Armen
Der Sozialarbeiter Christian Mayer stellt die kirchliche Initiative „herein“vor
WEINGARTEN - Über fehlenden Wohnraum in allen Preissegmenten auch in Weingarten klagen nicht nur Sozialverbände, sondern auch Betriebe, die neue Mitarbeiter einstellen wollen, und die Stadt, bei der sich die Anfragen häufen. Mit ihrer Initiative „herein“bemüht sich die Caritas, jenen zu helfen, die sich nur eine kleine Miete leisten können, weil sie auf staatliche Beihilfen angewiesen sind.
Wie die Caritas dabei vorgeht und welche Erfolge diese Initiative seit ihrem Start im Mai 2017 erzielt hat, erläuterte der Sozialarbeiter Christian Mayer. Er leitet das Projekt im Bereich des katholischen Dekanats Allgäu-Oberschwaben. Eingebettet war der Informationsabend in eine Veranstaltung der Volkshochschule Weingarten. Ihren Bildungsauftrag versteht sie auch darin, gesellschaftspolitisch brisante Themen nutzbringend aufzugreifen.
6000 Wohnungen pro Jahr
Eingangs stellte Mayer eine Studie zur Wohnraum-Situation in BadenWürttemberg vor, welche die Prognos AG im Auftrag der Architektenkammer erstellt hatte. Sie geht davon aus, dass jedes Jahr landesweit bis zu 6000 zusätzliche Wohneinheiten entstehen müssten, um den Bedarf zu decken. Mit einem Bevölkerungswachstum von jährlich sieben Prozent gehört Weingarten zu den Städten mit einem hohen Zuzug.
„Die Flüchtlinge fallen dabei kaum ins Gewicht“, betonte Mayer: „Die meisten Menschen kommen hierher, weil es viele attraktive Arbeitsplätze gibt.“Das habe die Mieten und die Baupreise so stark in die Höhe getrieben, dass ein ordentlich verdienender Facharbeiter sich die angebotenen Wohnungen kaum noch leisten könne. Deshalb sei die Caritas auch dem Bündnis für bezahlbaren Wohnraum beigetreten, das die Städte Ravensburg und Weingarten geschlossen haben. „Wir kümmern uns speziell um die Menschen, die auf das unterste Preissegment angewiesen sind“, sagte Mayer.
Ein erster Schritt sei, ungenutzten Wohnraum neu zu erschließen und ihn in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Kommune zu vermitteln. Auf Dekanatsebene habe er bisher 15 Wohnungen aufgetan, davon vier in Ravensburg und zwei in Weingarten. Gegenüber den Eigentümern tritt die Caritas, so Mayer weiter, als Mieter auf und lasse sich bei der jeweiligen Kommune Familien oder Einzelpersonen vorschlagen, die für die jeweilige Wohnung in Frage kommen.
Sicherheit für Vermieter
„Wir schauen uns die Bewerber genau an, um zu vermeiden, dass irgendwelche Mietnomaden oder Messies die Wohnung verwüsten“, betonte der Sozialarbeiter. Auch müsse kein Wohnungseigentümer Mietausfälle befürchten.
Wer eine solche Wohnung sucht, und Anspruch auf Sozialleistungen wie Wohngeld oder Bezüge nach Hartz IV erhält, kann sich aber nicht direkt an die Caritas wenden, sondern an das städtische Sozialamt. Diesen Rat gab Mayer auch der Rentnerin Sabine S.
Sie lebt derzeit allein in einer 90-Quadratmeter-Wohnung, die ihr zu groß und zu teuer geworden ist, und möchte gern in eine kleinere und billigere Wohnung ziehen. „Ich stocke meine kleine Rente bereits mit einem Minijob auf. Aber es reicht trotzdem nicht“erzählte sie.
In einer Einzelberatung zeigte ihr Christian Mayer Möglichkeiten auf, wie Sabine S. an die gewünschte billigere Wohnung kommen kann. Wenn die kirchliche Wohnrauminitiative noch besser im öffentlichen Bewusstsein verankert ist, dann hofft Mayer, deutlich mehr leer stehende Wohnungen vermitteln zu können.
Ein nächster Schritt wäre, solche Wohnungen in der Regie der Caritas zu renovieren. Als dritte Stufe des Projekts ist vorgesehen, in enger Partnerschaft mit Kirchen, Investoren und Kommunen auch in den Bau von Sozialwohnungen einzusteigen. Einen Zeitplan dafür gebe es allerdings noch nicht, erklärte Christian Mayer. Dass die Caritas das Wohnungsproblem nicht allein lösen kann, ist auch ihm bewusst: „Was wir tun, mag vielen nur als ein Tropfen auf den heißen Stein erscheinen. Aber in einem großen Verbund mit vielen Partnern können wir einiges bewirken“, ist sich der Caritas-Mitarbeiter sicher.