Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die EU muss vermitteln
So einfach, wie es sich die EU macht, geht es nicht. Zuzuschauen, wie sich die Katalanen untereinander und dann mit den Spaniern überwerfen, kann keine Option für einen Staatenverbund sein, der sich dem Frieden auf dem Kontinent verpflichtet fühlt. Was sich rund um Barcelona abspielt, hat nichts mit politischer Folklore in einer bei den Deutschen beliebten Touristenregion gemein, es hat viel mit realer oder gefühlter Geschichte zu tun.
So absurd es auch sein mag, viele Unabhängigkeitsanhänger vergleichen das demokratische Spanien von heute mit der Diktatur Francos. Wer so abwegig argumentiert, der erinnert sich im Zusammenhang mit der Verhaftung des früheren katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont in Schleswig-Holstein auch an Lluis Companys. Der war Regierungschef Kataloniens, floh vor den Faschisten 1939, wurde von den Nazis nach der Besetzung Frankreichs an Spanien ausgeliefert und dort 1940 nach einem Schnellverfahren hingerichtet.
Das Klima zwischen Befürwortern und Gegnern der Unabhängigkeit ist vergiftet. Es braucht Vermittlung. Die EU war im NordirlandKonflikt friedensstiftend unterwegs, sie sollte es nicht zulassen, dass sich eine Region radikalisiert und auf diese Weise ein südeuropäisches EUMitglied destabilisiert wird.
An der Rechtsstaatlichkeit des europäischen Haftbefehls bestehen keine Zweifel, am Rechtsbruch durch Puigdemont im Verlauf seiner Unabhängigkeitskampagne auch nicht. Der Politiker muss deshalb an Spanien ausgeliefert werden. Anschließend sollten die Scharfmacher auf beiden Seiten von der Diplomatie gestoppt werden, inklusive der spanischen Konservativen. Sie hatten 2006 ein neues Autonomiestatut mit der Anrufung des Verfassungsgerichts verhindert. Zuvor waren sich die Parlamente in Madrid und Barcelona einig, ein Referendum hatte grünes Licht gegeben und die Unterschrift des Königs lag auch vor. Daran muss angeknüpft werden, aber das geht voraussichtlich nur noch mit Hilfe von außen.