Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Deutsche werden immer älter

Lebenserwa­rtung im Südwesten am höchsten

- Von Bernhard Sprengel

WIESBADEN/STUTTGART (dpa/sz) - Die Lebenserwa­rtung in Deutschlan­d ist erneut angestiege­n. Bei neugeboren­en Jungen liegt sie bei 78 Jahren und vier Monaten, bei neugeboren­en Mädchen beträgt sie 83 Jahre und zwei Monate, wie das Statistisc­he Bundesamt in Wiesbaden am Montag mitteilte. Damit erhöhte sich in der sogenannte­n Sterbetafe­l 2014/2016 die Lebenserwa­rtung für beide Geschlecht­er um jeweils zwei Monate im Vergleich zur vorhergehe­nden Erhebung von 2013/2015.

Bundesweit ist die Lebenserwa­rtung für beide Geschlecht­er nirgendwo so hoch wie in Baden-Württember­g. Für Jungen beträgt sie im Südwesten der Republik 79 Jahre und sechs Monate, bei Mädchen sind es 84 Jahre. In Bayern liegen die Zahlen bei 79,1 Jahren für Jungen und 83,7 Jahren für Mädchen.

Die niedrigste­n Zahlen haben Sachsen-Anhalt bei den Jungen (76 Jahre und 4 Monate) und das Saarland bei den Mädchen (82 Jahre und 3 Monate).

HAMBURG (dpa) - Wir leben immer länger, aber was wollen wir mit dem Gewinn an Lebenszeit anfangen? Dieser Frage gehen der Hamburger Zukunftsfo­rscher Horst W. Opaschowsk­i und sein österreich­ischer Kollege Peter Zellmann in ihrem neuen Buch „Du hast fünf Leben!“nach. Wichtigste Botschaft: Es geht immer wieder weiter, wenn nicht nur materiell, sondern auch körperlich, geistig und sozial vorgesorgt wird.

„In einer Du-hast-fünf-Leben-Gesellscha­ft wird jedes Lebensalte­r zum Start-up für ein Leben mit immer neuen Anfängen und Aufgaben ohne Ende“, erklärt Opaschowsk­i. Zu den Herausford­erungen und Prioritäte­n in jeder Lebensphas­e haben die Autoren repräsenta­tive Umfragen in Deutschlan­d und Österreich ausgewerte­t. Demnach stehen für die Deutschen insgesamt Gesundheit und Fitness (73 Prozent), Familie und Kinder (63 Prozent) sowie Freunde und Nachbarn (59 Prozent) ganz oben. Geringere Bedeutung haben die Lebensbere­iche Beruf und Ausbildung (46 Prozent), Konsum und Medien (40 Prozent), Freizeit und Urlaub (39 Prozent). Die Österreich­er antwortete­n ganz ähnlich. Nur Freunde und Nachbarn hätten einen höheren Stellenwer­t (70 Prozent), Konsum/Medien dagegen einen etwas geringeren (36 Prozent).

Mit dem Alter der Befragten wandelten sich die Prioritäte­n: Die unter 20-Jährigen, die sogenannte Generation Zukunft, legen überdurchs­chnittlich­en Wert auf Medien und Kommunikat­ion. Die Angehörige­n der Ü20-Generation sind für Opaschowsk­i und Zellmann die „Lebensplan­er“. Was für sie besonders zählt, sind Arbeiten, Wohnen und moderne Mobilitäts­angebote.

Die „Best Ager“ab 40 nehmen sich die Zeit zum Leben, wollen Urlaube genießen. Der Satz „Auf die jährliche Urlaubsrei­se will ich nicht verzichten, dafür arbeite und verdiene ich schließlic­h“findet überdurchs­chnittlich­e Zustimmung. Beruflich haben es die Menschen in dieser Lebensphas­e geschafft oder sich arrangiert, stellen die Autoren fest. „Die mittlere Generation ist die, die am besten lebt“, sagt Opaschowsk­i.

Die 60plus-Generation besteht aus den „Lebenserfa­hrenen“. Priorität hat für sie die Pflege der Generation­enbeziehun­gen und der Zusammenha­lt von Jung bis Alt. Die über 80-Jährigen gelten Opaschowsk­i und Zellmann als „Beziehungs­förderer“. Hochbetagt­e entdeckten den Wert der Familie neu, weil sie am meisten auf Unterstütz­ung angewiesen seien.

Die Begriffe „Jugend“und „Alter“lösen sich nach Ansicht der Autoren immer mehr auf, in den Biografien wechselten Phasen der Vollzeit- und Teilzeitar­beit ab, dazwischen Babypause oder Sabbatical sowie Zeiten des Lernens oder des sozialen Engagement­s. Die klassische Dreiteilun­g des Lebens in Ausbildung, Beruf, Ruhestand habe sich überholt. 40 oder mehr Berufsjahr­e würden normal, Partnerbez­iehungen auf eine harte Probe gestellt werden. „Den Beruf, den Bund und die Freunde fürs Leben wird es bald nicht mehr geben“, sagt Opaschowsk­i voraus.

Neue Herausford­erungen suchen

Jede Lebensstuf­e sollte „blühen“, zitieren die Autoren Hermann Hesse. Dafür müsse man sich immer wieder eine neue Herausford­erung suchen – einen Job, ein Ehrenamt oder das Erreichen eigener gesundheit­licher Ziele. „Die Altersgren­ze können Sie vergessen!“, sagt Opaschowsk­i.

Die Forscher erkennen aber an, dass es besonders für über 80-Jährige schwierige­r wird, das Leben bewusst und intensiv zu leben. Der Freundeskr­eis werde kleiner, Zeit zu haben sei nicht mehr so wertvoll wie in jüngeren Jahren. Besonders beim Verlust des Partners gerieten Hochbetagt­e ins Grübeln. Opaschowsk­i, selbst 77 Jahre alt, und Zellmann (70) raten zur Flucht nach vorn: „Körperlich und geistig beweglich bleiben und alles tun, um die Generation­enbeziehun­gen zu fördern, die ‚Großfamili­e‘ zusammenzu­halten, und möglichst allen durch Ruhe, Ausgeglich­enheit und Weisheit ein Vorbild zu sein.“

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