Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Selfie mit dem Opa

Augsburger Studenten verbringen im Krankenhau­s Zeit mit älteren Menschen – und werben dafür mit Handyfotos

- Von Andreas Jalsovec

AUGSBURG (epd) - Mit Besuchen bei älteren Menschen hat Alina Frey bereits Erfahrung. Schon in der Grundschul­e habe sie mit dem Schulchor an Weihnachte­n das Seniorenhe­im in ihrem Heimatort besucht, erzählt die Studentin. Manche Senioren bekämen nur selten oder gar keinen Besuch von der Familie, sagt sie: „Daher freuen sie sich umso mehr, wenn sie merken, dass junge Menschen sich für sie interessie­ren und Zeit mit ihnen verbringen wollen.“

In diesem Winterseme­ster hat die Lehramtsst­udentin dazu Gelegenhei­t. Zusammen mit anderen Studenten nimmt sie am Semesterpr­ojekt der Evangelisc­hen Studenteng­emeinde (ESG) Augsburg teil. Viermal besuchen die jungen Leute Senioren auf der Geriatries­tation der Stadtklini­k der Augsburger Diakonisse­nanstalt, also der Station, auf der ältere Patienten versorgt werden.

Man habe in diesem Semester etwas anderes machen wollen, als Vorträge zu organisier­en, berichtet Studentenp­farrerin Tabea Baader. So sei die Idee zu den Besuchssam­stagen entstanden. „Ich habe mich gewundert, wie schnell sich die jungen Menschen auf das Projekt einlassen konnten, denn niemand ist gerne im Krankenhau­s“, sagt Baader. Für ihr Projekt rührten die Studenten kräftig die Werbetromm­el. Mit einem Plakat machten sie auf die Aktion aufmerksam: „Nicht vergessen: Oma besuchen“heißt es darauf. Wer wollte, konnte der ESG ein Foto von sich und seinen Großeltern schicken. Das Motto: „Post Your Granny“.

Etwa zehn Studierend­e meldeten sich für die Besuchstag­e. Schon vor Weihnachte­n kamen sie zum Adventslie­dersingen und Sternebast­eln ins Krankenhau­s. Im neuen Jahr gab es bislang einen Spielenach­mittag. „Die jungen Menschen bringen hier Leben und Frische rein“, sagt Geriatrie-Seelsorger­in Ursula Bühler, die das Projekt zusammen mit Tabea Baader organisier­t.

Auf der Geriatries­tation der Klinik sind Senioren mit Herz- und Kreislaufp­roblemen untergebra­cht, Patienten, die einen Schlaganfa­ll hatten oder unter der Parkinson-Krankheit leiden. „Diese Menschen sind krank“, sagt Ursula Bühler: „Aber es ist nicht so, dass sie nicht aktiv werden könnten.“Die Besuche weckten oft Energie in den Senioren – und täten ihnen gut, meint die Pfarrerin: „Zuwendung und Begegnung sind heilsam.“

Diese Erfahrung hat auch Helmut Unglaub gemacht. Das Personal in den Kliniken oder im Pflegeheim habe nicht immer die Zeit, sich hinzusetze­n und zuzuhören, meint der Referent für Altenheims­eelsorge in der bayerische­n evangelisc­hen Landeskirc­he. „Die älteren Menschen haben viele Geschichte­n zu erzählen. Da ist es wertvoll, wenn jemand sich Zeit für sie nimmt“, sagt der Kirchenmit­arbeiter.

Umgekehrt lauschten die Studenten den Lebensberi­chten der Älteren offenbar gerne. Es sei spannend gewesen, andere Geschichte­n als die ihrer Großeltern zu hören, sagt Geografies­tudentin Leonie Leisenheim­er. „So habe ich sogar etwas über historisch­e Ereignisse und ihre Wahrnehmun­g aus unterschie­dlichen Perspektiv­en gelernt.“Vor allem aber habe sie gespürt, wie sehr es die älteren Menschen freut, dass jemand Zeit mit ihnen verbringt. „Dadurch habe ich wieder verstärkt Kontakt zu meinen eigenen Großeltern aufgenomme­n“, berichtet Leisenheim­er.

Alina Frey ging es ähnlich. Sie erzählt von einer älteren Dame, für die sie beim ersten Besuch Papierschn­eeflocken bastelte. Die Seniorin habe ihr Geschichte­n von ihrem Leben erzählt, von ihren Enkelkinde­rn und ihrer verschwund­enen Katze. „Man hat gemerkt, wie glücklich sie dabei war“, sagt Frey: „Und das hat auch mich glücklich gemacht.“

Nach einem weiteren Begegnungs­nachmittag im Februar ist das Fazit von Studentenp­farrerin Tabea Baader jetzt schon positiv. Sie sei überrascht gewesen, wie gut das Ganze funktionie­rt. Die Besuche liefen sehr entspannt ab: „Es war wie eine Enkel-Großeltern-Situation.“Ein Eindruck, den eine ältere Patientin nur bestätigen kann: „So ein Nachmittag tut uns gut – und den jungen Leuten auch.“

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FOTO: EVANGELISC­HE STUDENTENG­EMEINDE AUGSBURG Selfie mit Enkelin und Opa – Jung und Alt haben sich gegenseiti­g etwas zu geben.

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