Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Kaum eine Chance mit Asylantrag“

-

RAVENSBURG Carles Puigdemont hat vor Gericht eine Chance, seine Auslieferu­ng auszusetze­n. Das sagte Georg Jochum (Foto: ZU), Europarech­tler an der Zeppelin Universitä­t Friedrichs­hafen, im Gespräch mit Daniel Hadrys.

In Dänemark wurde Carles Puigdemont trotz eines europäisch­en Haftbefehl­s nicht festgenomm­en. Wie verbindlic­h ist dieser?

Grundsätzl­ich ist er so verbindlic­h wie jeder andere internatio­nale Haftbefehl auch. Wenn ein europäisch­er Haftbefehl erlassen wird, schreiben die EU-Staaten die entspreche­nde Person zur Fahndung aus. Bei einer erfolgreic­hen Fahndung wird der Verdächtig­e üblicherwe­ise festgenomm­en. Grundsätzl­ich besteht eine Verpflicht­ung der Mitgliedst­aaten zur Auslieferu­ng, soweit nicht einer der Gründe in dem maßgeblich­en EU-Rechtsakt, dem Rahmenbesc­hluss zum Europäisch­en Haftbefehl, zur Ablehnung vorliegt. In Belgien war wohl der Haftbefehl nicht ausreichen­d begründet, was Dänemark anbelangt kann nur spekuliert werden, wahrschein­lich ist er den dänischen Behörden entwischt.

Madrid wirft Puigdemont Rebellion und die Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder vor. Wie ist die Rechtslage in Deutschlan­d?

Den Tatbestand der Rebellion gibt es in Deutschlan­d nicht. Es gibt hierzuland­e zwar den Tatbestand des Hochverrat­s. Doch dieser setzt den Einsatz von Gewalt voraus und ist mit der „Rebellion“, so wie er von der spanischen Justiz interpreti­ert wird, nicht vergleichb­ar. Die friedliche­n Demonstrat­ionen, zu denen Puigdemont aufgerufen hat, reichen in Deutschlan­d vermutlich nicht aus für eine Auslieferu­ng. Dann bleibt der Vorwurf der Untreue. Die Strafe dafür müsste allerdings ein bestimmtes Mindestmaß erreichen. Das muss nun das OLG entscheide­n.

Kann Puigdemont die Ausweisung juristisch umgehen?

Er hat eine Chance in einem Verfahren vor dem OLG, da die beiden Vorwürfe gegen ihn nicht als sogenannte Katalogstr­aftaten gelistet sind. Gelingt ihm das so nicht, hätte er mit einem Asylantrag kaum eine Chance. Spanien ist ein Rechtstaat, der Menschen nicht systematis­ch politisch verfolgt. Genau das setzt Asyl jedoch voraus. Wenn jemand politisch motivierte Straftaten begeht und dafür zur Verantwort­ung gezogen wird, ist das für sich noch kein Asylgrund. Es müsste Puigdemont gelingen, darzulegen, dass die strafrecht­liche Verfolgung in Spanien beispielsw­eise wegen Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder vor allem gegen seine politische Überzeugun­g gerichtet ist und dass er dagegen vor spanischen Gerichten keinen Rechtschut­z erwarten kann. Das dürfte wohl nicht gelingen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany